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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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denn alle anderen? Die Mohammedaner etwa oder die chinesischen Bonzen oder Brahmanen?«
    »Freilich nicht! Denn einzig die Bibel & die Evangelien enthalten das Wort Gottes, & folglich die Kirche als wichtigster Pfeiler der christlichen Religion & ihre Theologen, welche besser gewappnet sind denn sonst jemand, um deren Mysterien zu begreifen …«
    »Gut, mein junger Freund, Ihr hättet die Aufgabe eines Lehrers nicht genauer benennen können: Ein seines Namens würdiger Meister lehrt seine Schüler nicht nur die wahren Wissenschaften, er muss sie auch in der wahren Religion unterweisen, welche die Grundlage der Naturgesetze und -prinzipien bildet. Nehmen wir einmal an, Ihr wäret einer unserer Missionare. Da seid Ihr nun in Peking und sollt jene wahre Wissenschaft, die Astronomie, ausüben und unterrichten. Nun irrt sich aber einer Eurer chinesischen Schüler bei der Berechnung einer Mondfinsternis … Was solltet Ihr ihn nunmehr lehren?«
    »Die korrekte Art und Weise, die Astronomie anzuwenden; also die Gesetze, welche die Bahnen der Himmelskörper leiten & deren Bewegungen vorausberechnen lassen.«
    »Sehr schön. Doch genügt das? Würde Euer Schüler sich nicht täuschen, wenn er die nächste Mondfinsternis exakt vorhersagte, jedoch den Urgrund dieses Phänomens einer verborgenen Wirkung des Gottes Fo Hi zuschriebe?«
    »Freilich. Es würde mir obliegen, ihn auf seinen Irrtum des Glaubens an einen falschen Gott hinzuweisen, ebenso wie er zuvor Fehler in der Astronomie beging.«
    »Ausgezeichnet. Und wie dabei anders vorgehen, als mittels derselben Regel des Aufsuchens der Ursprünge, der ersten Prinzipien aller Dinge? Denn was für die Wissenschaften gilt, gilt für die Theologie in nämlicher Weise. Was werdet Ihr also unternehmen, um ihn auf seine Verirrung hinzuweisen?«
    »Mir scheint, ich würde in der Zeit & der Menschheitsgeschichte zurückgehen, um mich in die Zeit der Erschaffung der Welt zu versetzen und ihm durch aufeinanderfolgende Beweise darzulegen, dass sein Gott Fo Hi eine spätere Erfindung ist & es ihn nie anders als in der Einbildung der Unwissenden gegeben hat.«
    »Gewiss. Doch reden wir hier von der Geschichte, wie ein Herodot oder ein Pausanias sie sah, also von wahrhaftigen Berichten, die doch relativ jung sind? Nein. Wir bedürfen, das werdet Ihr sehen, eines Wissens von den Ursprüngen, oder aber, um es auf Griechisch zu sagen, einer ›Archäologie‹! Wohin aber wenden wir uns, an wen oder woran, um solches Wissen zu erlangen?«
    »An die Heilige Schrift, genauer an die Genesis, welche diese Fragen behandelt …«
    »Hervorragend. Doch heißt es für uns jetzt noch weiter fortzufahren und zu fragen, welche in der Genesis die entscheidenden Augenblicke sind, jene für alles andere ausschlaggebenden.«
    Don Luis Camacho besann sich lange und zählte unterdessen an den Fingern jene Abschnitte ab, die ihm in Erinnerung waren.
    »Es sind ihrer fünf«, fuhr er mit der Selbstsicherheit seines jugendlichen Alters fort, »die Erschaffung des Menschen durch Gott, die Erbsünde, der Mord an Abel durch Kain, die Sintflut & die Sprachenverwirrung nach dem Fall des Turms von Babel …«
    »Bravo, mein junger Freund! Eure Antwort ist des hervorragendsten Theologen würdig. Ihr findet unter diesen Ur-Ereignissen welche, die wir mit Sicherheit für wahr halten können, mit derselben Gewissheit, wie wir Herodots Schilderungen glauben, da wir ja die Tiere und Denkmale heute noch betrachten können, welche er vierhundertfünfundvierzig Jahre vor der Geburt unseres Herrn geschildert?«
    »Nein, das muss ich gestehen. Mein Sinn verwirrt sich jäh …«
    Das hübsche Gesicht des Jünglings verfärbte sich dunkelrot.
    Kircher erhob sich und stöberte ein wenig in der Galerie herum, in welcher wir uns befanden. Dann kam er wieder zu uns und lud einige Gegenstände auf den Tisch.
    »Hier«, sagte er zu Don Luis Camacho und wies auf die Beispiele aus seiner Sammlung, »diese wenigen Stücke sollten Euch helfen, das gestellte Problem zu lösen. Sehen diese steinernen Fische & Muscheln nicht perfekt so aus, als seien sie als Hohlform von einem in dieser Kunst höchst geschickten Künstler gebildet?«
    »Oh ja!«, rief der Junge bewunderungsvoll aus, »solche perfekten Imitationen habe ich noch nie gesehen!«
    »Und nicht ohne Grund!«, lächelte Kircher, »denn dies sind echte Meerestiere, die mir verschiedene befreundete Missionare gebracht haben. Sie wurden im Fels auf dem Gipfel einiger der

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