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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Ordnermenü. Im Ordner »Archiv« markierte er die Datei mit seinen sämtlichen Notizen, dann drückte er auf »Entf«.
    »Möchten Sie ›Kircher.doc‹ wirklich löschen? Ja. Nein.«
    Den Finger über der linken Maustaste gekrümmt, zögerte Eléazard kurz angesichts der Endgültigkeit, die durch diese Nachfrage zum Ausdruck kam. Es gab keine Kopie seiner Arbeit, alles wäre ein für alle Mal weg.
Vergiss Kircher
, hatte Loredana gesagt … Und er verstand jetzt: Kümmere dich um deine Tochter, meide alles Rückwärtsgewandte wie die Pest … Lebe! Sein Herz schlug schneller. Sind Sie sicher, dass Sie Muscheln essen wollen? Finden Sie die Amnesie derart verlockend? Eléazard zuckte mit den Schultern, trotz der Vorahnung, dass ihm nichts erspart bleiben würde, und drückte auf »Ja«. Der Cursor verwandelte sich in eine Totenuhr, ein leeres Zifferblatt, von einem einzigen Zeiger rasend schnell durchfahren. Die Festplatte löschte Datei um Datei Informationen, die ihr vollkommen gleichgültig waren, sie arbeitete mit einer Folge leiser Klicks. Am Ende des Vorgangs sprang ein neues Fenster auf und ersetzte das vorige:
    »Möchten Sie weitere Dateien löschen? Ja. Nein.«
    Wie hypnotisiert vorm Bildschirm sitzend, hatte Eléazard begonnen, wieder mit seinen Tischtennisbällen zu spielen. Und sie kreisten todernst, diese kleinen blicklosen Planeten. Milchig, aus den Augenhöhlen getreten.

Fortaleza, Strand der Zukunft
    Bri-gi-te Bardot, Bar-dooo!
    Nelson hatte das Wahlwerbungs-T-Shirt über sein Mittelstürmer-Trikot gezogen, er schwitzte vor Hitze genauso wie vor Angst. Seit zwei Stunden wartete er jetzt auf der Seite der Tribüne, hundert gute Gründe hätte er gehabt, um seinen Plan aufzugeben, hundert andere sprachen wiederum dafür. Betäubt von dem Lärm aus den allzu nahen Lautsprechern, gab er sich einer schmerzhaften, ungeduldsvollen Träumerei hin.
    Da er recht weit hinten stand, beschränkte sich sein Gesichtsfeld auf die schrägen Linien der Bühnenbeplankung und die unendliche Vertikale des Strandes. Weit draußen saß eine Wolkenbank auf dem Horizont und zeichnete die bläulichen Konturen einer unbekannten Küste nach, einer noch zu entdeckenden Welt.
    Wie jedes Mal zwischen zwei Musikstücken kam der Chef der Wahlhelfer zum Mikro, um dessen Funktionieren zu überprüfen und die Spannung am Kochen zu halten. Das Walkie-Talkie am Gürtel, sonderte er ein nicht enden wollendes Blabla ab, in dem regelmäßig die Namen Barbosa junior und Moreira wiederkehrten: Sie waren angekündigt, gleich würden sie kommen! Während seiner Ansprache warfen seine Mitarbeiter abwechselnd T-Shirts zu Dutzenden in die Menge. In dem dadurch entstehenden Durcheinander färbte sich der Bereich vor der Bühne weiß.
    Plötzlich übertönten mehrere Sirenen den Lärm am Strand. Oben auf der Anhöhe, direkt über der Tribüne, hielten drei schwarze Limousinen, von Polizeiwagen eskortiert, aus denen eine Schar bewaffneter Polizisten ausschwärmte und den Weg zur Tribüne zur Sicherheit der hohen Gäste mit Doppelspalier besetzte. Von ihren Leibwächtern eng umgeben, schritten die beiden Gouverneure die Düne hinab, ständig im Visier einer kleinen Gruppe von Fernsehleuten. Aus den Lautsprechern unten ertönte die Nationalhymne und ließ alle stumm erstarren.
    Nelson fühlte sich benommen. Seine Lippen sprachen die Worte der Hymne halblaut mit. Damit seine Rechte nicht so schlotterte, legte er sie um den Griff des Revolvers unter seinem Trikot und versuchte, sich das Bild des Lampião vor Augen zu rufen. Er stand kurz vor einer Ohnmacht.
    Vergnügt und pudelwohl in ihren leichten cremefarbenen Anzügen, taten Barbosa junior und Moreira so, als müssten sie sich gegen die Ordnungskräfte verteidigen, um in der Menge aufzugehen. Je näher sie der Tribüne kamen, desto mehr heuchelten sie den Versuch, den Kordon aus Polizisten zu durchbrechen, um eine ausgestreckte Hand zu ergreifen oder eine rotzige Kinderwange zu küssen. Sobald Nelson Moreira erkannte, ließ er ihn nicht mehr aus den Augen. Im Vergleich zu den Fotos wirkte der Gouverneur gealtert, doch war er unverkennbar der Mann, den er seit Jahren hasste: der Mörder seines Vaters, der Abschaum, der den Willys von Onkel Zé gestohlen hatte …
    Nelson entsicherte den Revolver. Um ihn herum schien alles in tiefer Stille zu versinken; weder hörte er die anschwellende Musik noch den Wahlhelfer, der am Mikro die Menge aufpeitschte. Näher, dachte er immer wieder, wie besessen, ich

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