Wo Träume im Wind verwehen
zurück. Sie traute sich nicht, Joe anzublicken, aus Angst, mehr Mitleid in seinen Augen zu entdecken, als sie im Moment verkraften konnte. Er half ihr aus Liebe zu Caroline, so viel war gewiss. Caroline wusste von seinem Vorhaben. Vermutlich saß sie in ebendiesem Augenblick mit Homer zu Hause und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Skye mit Joe zu dem AA -Treffen ginge. Es würde ihr die Abreise nach Griechenland beträchtlich erleichtern.
»Du nimmst sie uns weg«, sagte Skye.
»Nur mit nach Griechenland. Nicht
weg.
Sie würde euch nie im Stich lassen; dazu wäre sie gar nicht fähig.«
»Das ist zu weit.«
»Noch ist sie ja da. Nur fünf Meilen entfernt, am anderen Ende der Straße.«
Caroline fuhr nach Griechenland – ein weiterer Schlag, ein weiterer Grund, sich für den dunklen Weg zu entscheiden, sich zu verstecken, sich abzuschotten. Es war viel einfacher zu schlafen, als wach zu sein, es war viel einfacher zu trinken, als damit aufzuhören.
»Bei den AA lautet ein Spruch: Gib nicht auf, bevor das Wunder geschieht.«
»Worin besteht das Wunder?«
»Du erkennst es, wenn es so weit ist.«
»Und was ist, wenn der Zeitpunkt niemals kommt?«
»Wenn du aufgibst, wirst du nie wissen, was du versäumt hast.«
Skye schloss die Augen und dachte an den Revolver. Sie dachte an ihren Vater und an Joes Vater, dachte an Andrew Lockwood. Ihre Gesichter waren klar gewesen, doch nun begannen sie zu verblassen. Sie konnte sie nicht mehr in den Brennpunkt rücken. Das Gesicht, dass sie als Einziges deutlich vor sich sah, war Carolines.
Langsam öffnete sie die Augen und nickte.
»In Ordnung«, hörte sie sich sagen. »Ich komme mit.«
Caroline stellte fest, dass sie Michele jeden Morgen mehr Aufgaben übertrug. Sie nahm sie mit zur Bank & Trust, ihrer Hausbank, stellte sie als ihre Geschäftsführerin vor und weihte sie in die Funktionsweise der verschiedenen Konten ein.
Michele war ein heller Kopf und mit Feuereifer bei der Sache. Sie besaß eine rasche Auffassungsgabe und die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen. Ein weiterer Vorteil war, dass sie nach zehn Jahren Tätigkeit an der Rezeption den Betrieb bis ins Kleinste kannte. Caroline fiel auf, dass Tim ihr so manchen Nachmittag Gesellschaft leistete und ein Stammkunde der Bar geworden war. Am College hatte der Unterricht wieder begonnen, und manchmal kam er mit seinen Kollegen oder Kommilitonen auf einen Sprung vorbei, um sich über die Künstler in Black Hall zu unterhalten. Ihn zu sehen machte Caroline glücklich. Sie wusste, dass er in den Gasthof kam, um Michele zu unterstützen, und dass er diese Gewohnheit auch in ihrer Abwesenheit beibehalten würde.
An anderen Tagen kamen Caroline Zweifel, ob sie wirklich fahren sollte. Wie konnte sie sich mit Joe davonmachen und den Gasthof, aber auch ihre Familie sich selbst überlassen? Sie brauchten sie. Vielleicht war sie nicht die perfekte Schwester und Tochter gewesen, aber sie hatte ihr Bestes getan, damit alle einigermaßen zurechtkamen. Sie schlugen sich wacker durchs Leben, die Renwick-Frauen.
Sam sollte morgen aus der Klinik entlassen werden, und Joe und sie hatten geplant, wenige Tage später aufzubrechen. Skye nahm inzwischen regelmäßig an den Treffen der Anonymen Alkoholiker teil. Es gab keine Garantie, dass ihre Schwester trocken blieb, aber einen Hoffnungsschimmer. Ihr schien bewusst geworden zu sein, dass sie ohnehin keine andere Wahl hatte.
Caroline fuhr regelmäßig zu Clea, um ihre Mutter zu besuchen. Augusta versuchte sich mit Anstand in das Unvermeidliche zu fügen. Ihr missfiel der Gedanke, dass Caroline weg wollte, vor allem nach Griechenland, und auch noch mit Joe Connor! Aber sie hielt ihre Zunge im Zaum, als wäre sie zu der Schlussfolgerung gelangt, dass schon genug Schaden angerichtet worden war. Es war nicht etwa so, dass sie Joe unsympathisch fand, sie grollte nur seinem Vater wegen der Gewalt, die er in ihrer Familie gesät hatte.
Drei Tage vor der geplanten Abreise fuhr Caroline Augusta in die Klinik zur Nachuntersuchung. Sie saßen im Wartezimmer des Neurologen, als Joe und Sam auftauchten. Augusta erstarrte. Es war ihre erste Begegnung mit Joe Connor seit dem Firefly Ball.
»Hallo, Mrs. Renwick.« Er streckte ihr zur Begrüßung die Hand entgegen.
»Hallo.« Argwöhnisch reichte sie zuerst ihm und danach seinem Bruder die Hand. Die beiden begrüßten Caroline mit einem Kuss, und das Eis schien gebrochen zu sein.
»Sieht ganz so aus, als hätten wir
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