Wo wir uns finden
blickdichten Gardinen. Er war sich die Nacht über sicher gewesen.
Niemand öffnete ihm auf sein Klingeln. Er wartete, starrte die Tür an, auf der fettig die Abdrücke einer Hand zu sehen waren. Er hatte sich zurechtgelegt, wie er die beiden überzeugen wollte, wegzugehen mit ihm. Wenn Grams da wäre, würde er ihm aufmachen.
Können die noch ficken, wenn die in drei, vier Wochen das Baby bekommt? fragte er sich und kletterte über den Zaun und ging nach hinten in den Garten. Sein Sperma an der Terrassentür war in langen Schlieren getrocknet. Er schirmte seine Augen ab und blickte durch die Scheibe ins Innere des Hauses. Von hier aus sah er nur einen Teil des Sofas im Wohnzimmer, er erkannte die Wolldecke, aber nicht, ob Anna dort lag, und lehnte sich mit der Schulter gegen den hölzernen Rahmen der Tür, bis sie aufsprang mit einem Klicken. Der Windstoß wehte ein paar Blätter vom Fenstersims, er legte sie wieder zurück. Vielleicht ist sie im Krankenhaus mit dem Kind, dachte er: und mit Grams, bekam das Bild nicht aus dem Kopf, wie Grams statt Dix an der Scheibe der Entbindungsstation steht, während ihm die Schwester das Baby zeigt, das blonde Haare hat und die grauen Augen von Anna. Er setzte sich auf das Sofa und roch an ihrer roten Decke, stellte sie sich nackt darunter vor, ihr Bauch, sie wischt den Schweiß zwischen ihren Arschbacken in die Wolle, während der grobe Stoff an ihren Brustwarzen reibt.
Vom Flur hörte er das Tuten des Telefons, der Hörer lag neben dem Apparat. Karl hielt ihn sich ans Ohr und sprach leise: Hallo? Hallo? hinein, bevor er ihn auf die Gabel zurücklegte. Kurz betrachtete er das kleine Notizbuch daneben, las die aufgeschlagene Seite mit den Telefonnummern:
Josef Arbeit –
Josef Mutter –
Fischerstüble –
und ordnete das Telefontischchen, auf dem die kleine Vase mit der Plastikblume umgeworfen worden war, ein Stift und das örtliche Telefonbuch lagen darunter auf dem Boden, als hätte jemand in großer Hektik nach etwas gesucht.
Er hörte ein Geräusch aus der oberen Etage und ging zur Treppe. Die Stufen knarrten. Er hielt die Luft an und überlegte zu rufen, dass er es sei – aber schwieg und kam langsam wieder zu Atem auf dem obersten Absatz.
Als er das Bad betrat, erschrak er und schloss die Tür, bis er verstand, was er gesehen hatte, und sie wieder öffnete. Vom Türrahmen aus betrachtete er Anna, die auf dem Boden saß, mit dem Rücken an die Wanne gelehnt, das dicke Blut wie mit einem Eimer ausgekippt auf den Kacheln, und das Baby mit blauem Kopf – das zwischen ihren gespreizten Beinen auf der Seite lag, die Händchen unter dem Kinn verschränkt – blickte aus Augen, die nur große schwarze Pupillen waren, durch ihn hindurch. Dass es Fingernägel hatte, abstehende Ohrläppchen, dass das nicht Annas Kind sein könne, dachte er, das kommt doch erst in vier Wochen.
Die Nabelschnur verschwand in ihrem Schoß, ihre Haut war weiß, fast blau. Ihr Kopf war nach vorn gekippt, und Karl wusste nichts anderes zu sagen als: Anna, aufwachen, dein Kind ist da! und zeigte auf das Baby, das kein Geräusch von sich gab, nur weiter in der Lache aus Blut lag und in eine Ferne hinter Karl blickte, und Anna rührte sich nicht.
Die Frau in der Notrufzentrale fragte immer wieder nach seinem Namen, den er nicht nannte, nur die Adresse gab er durch und dass Anna das Kind bekommen habe, vier Wochen zu früh, sich aber nicht rühre und das ganze Bad voller Blut sei. Ob er der Gatte, der Vater des Kindes sei, fragte die Frau.
Nein, sagte Karl.
Ob der in der Nähe sei, fragte die Frau.
Nein, sagte Karl.
Ob er Erste Hilfe geleistet habe, fragte die Frau.
Nein, sagte Karl und legte den Hörer zurück auf die Gabel, und im selben Moment läutete das Telefon. Er betrachtete den Apparat, dass das Klingeln doch Anna und das Baby störte, dachte er und nahm ab und hörte Dix sagen: Du solltest doch den Grams anrufen, wenn es nicht so dringend ist.
Karl schwieg, und Dix fragte: Anna? Anna, bist du dran?
Das Baby ist da, sagte Karl.
Scheiße, sagte Dix.
Karl vernahm in der Entfernung die Sirene eines Krankenwagens, legte auf und lief aus dem Haus. Geduckt rannte er durch den Garten und dachte, ein Baby schreien zu hören.
DREI
D as Schlagen der Seile im Aufzugsschacht verriet mir in der Nacht, dass die Veteranen aus der Etage unter mir zurückkamen ins Hotel, noch bevor sie ihre Zimmer betraten. Ich musste nur noch warten, bis sie fertig waren mit Waschen und Zähneputzen, die
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