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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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rang nach Luft. Hys Körper wirkte
verspannt — wohl vor Schmerz, dachte ich.
    Während wir dort hockten und warteten,
kam mir die Geschichte in den Sinn, die mir Gloria Escobar letzten Dienstag bei
All Souls erzählt hatte, als sie mich zur Annahme der Beförderung überreden
wollte. Ich dachte an ihre schwangere Mutter, die ihre ältere Schwester durch
genau diesen Cañon gebracht hatte, und zwar ohne Hilfe eines Kojoten. Sie war
von den anderen getrennt worden, Banditen hatten sie angegriffen — und doch war
sie heil über die Grenze gekommen und dann fünfzehn Meilen bis zur verabredeten
Unterkunft marschiert, die eine Tochter auf dem Arm, das ungeborene Kind im
Leib.
    Gloria, dachte ich, ich glaube, ich
weiß, was Sie mir sagen wollten. Ich kann jetzt verstehen, welchen Wert das
Leben für Sie hat, das Sie für sich und Ihre Tochter geschaffen haben.
Hoffentlich habe ich einmal Gelegenheit, Ihnen zu sagen, daß die Geschichte
Ihrer Mutter mir Mut gemacht hat...
    Wir warteten wenigstens zehn Minuten.
Mojas sah sich nach allen Seiten um und horchte. Während ich so auf dem harten
steinigen Boden kniete, spürte ich, wie nach und nach eine Veränderung in mir
vorging. Mein Herzschlag normalisierte sich, ebenso mein Adrenalinspiegel. Ich
wurde ruhig, und zugleich schärften sich meine Sinne. Haut und Fingerspitzen
fingen an zu kribbeln. Ungeduldig sah ich zu Mojas. Ich wartete darauf, daß es
weiterging.
    Diese Veränderung kannte ich von
anderen Situationen, wenn die Angst der Fähigkeit, mit der Gefahr umzugehen,
gewichen war. Ich wußte instinktiv, daß ich mich immer wieder Gefahren
aussetzen würde, mein ganzes Leben lang. Es war gewissermaßen, als stünde ich
einem freundlich gesonnenen Gegner gegenüber, mit dem ich auf gutem Fuße stand,
und an dem ich mich zugleich oft gemessen hatte.
    Mojas stand auf und gab uns ein
Zeichen. Es ging weiter...
     
     
     
    04 Uhr 28
     
    Vor uns lag riesig die schwarze Öffnung
des Abflußrohrs. Über dem mindestens sechs Meter hohen Straßendamm, in den sie
hineinführte, leuchtete der Himmel, von den Lichtern der South Bay erhellt.
    Wenige Meter davor ließ Mojas uns
anhalten. »Das Rohr endet etwa fünfzehn Meter von hier in einem Wassergraben.
Sie überqueren den Graben und sind auf der Straße. Wenn la migra Sie
anhält, erzählen Sie, Ihr Wagen hätte eine Panne und Sie würden auf eine Mitfahrgelegenheit
warten. Dann wird man Ihnen nur sagen, Sie hätten in der Dunkelheit hier nichts
zu suchen. Ich sehe mich jetzt mal um. Von da an sind Sie auf sich gestellt.«
    »Wie kommen wir zur alten Molkerei?«
fragte ich.
    »Rechts halten, etwa eine Meile. Warten
Sie hier.« Mojas rannte gebückt auf das Rohr zu und verschwand in der dunklen
Öffnung.
    Ein kalter Windstoß ließ mich zittern.
Ich blickte zum Himmel und sah die ersten blassen Anzeichen des Morgengrauens.
Hy legte mir die Hände auf die Schultern. »Fast geschafft, McCone.«
    »Gott sei Dank. Blutet dein Arm noch?«
    »Hm.«
    »Tut es sehr weh?«
    »Ich werde es überleben.«
    »Sind Sie okay, Tim?«
    Mourning nickte zähneklappernd.
    Mojas brauchte lange. Auf dem
Leuchtzifferblatt meiner Uhr vergingen erst fünf Minuten, dann weitere vier.
Schließlich tauchte er wieder aus dem Rohr auf. Gebückt rannte er auf uns zu.
»Es ist merkwürdig«, sagte er. »Es ist niemand in dem Rohr.«
    »Ist das sonst anders?« fragte Hy.
    »Es ist einer der Schleichwege über die
Grenze. La migra hat sich etwas ganz Schlaues ausgedacht. Sie postieren
sich einfach am anderen Ende mit einem Netz. Das Rohr ist sonst immer voller
Leute, die die Nerven verloren haben oder zu müde zum Weitergehen sind.« Er
zögerte. »Ich könnte schwören, daß da drinnen eine Waffe abgefeuert wurde.«
    »Die Schüsse, die wir vorhin gehört
haben?« fragte ich. Etwa fünfzehn Minuten, bevor wir vor dem Rohr angekommen
waren, waren Schüsse von den Cañonwänden zurückgeschallt — das Knattern einer
halbautomatischen Waffe.
    Mojas zuckte mit den Schultern.
    »Haben Sie jemanden im Graben oder auf
der Straße gesehen?« fragte Hy.
    »Nein.«
    Das war mir nicht geheuer. »Al, gibt es
noch einen anderen Weg zur Straße?«
    »Dazu müßten wir ein gutes Stück
zurückgehen, und es wird bald hell.«
    »Und Sie sagen, daß viele Leute von
diesem Rohr wissen?«
    »Na ja, Leute wie ich, die das wissen
müssen.«
    Ich dachte nach. »In Ordnung«, sagte
ich schließlich, »dann gehen wir hier durch.« Ich griff in meiner Tasche nach
den restlichen

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