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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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nachdachte, desto sicherer war ich, dass er ihr etwas angetan hatte.
    Hope war für sie da gewesen.
    Jetzt hatte sie niemanden mehr.
    Hatte sie ihre Klage bei der Anhörung zurückgezogen? Weil Muscadine sie weiter terrorisiert hatte?
    In den letzten zwei Tagen hatte ich mehrfach vergeblich versucht, ihre Eltern telefonisch zu erreichen. Außerdem hatte ich eine Nachricht bei Dr. Emerson hinterlassen. Er konnte zwar nicht über seine Patientin sprechen, aber ich hatte einige Fakten für ihn …
    Das Telefon klingelte.
    »Dr. Delaware? Mein Name ist Ronald Oster. Ich bin der Strafverteidiger von Mr. Reed Muscadine.«
    »Ach ja.«
    »Mr. Muscadine hat darum gebeten, mit Ihnen reden zu können.«
    »Warum?«
    »Mr. Muscadine weiß, Sie waren in seinem Fall für die Polizei als Berater tätig, und Sie haben in dieser Eigenschaft bereits mit ihm gesprochen. Er glaubt, Ihr psychologischer Sachverstand könnte dem Gericht dabei helfen, seine Motivation zu verstehen.«
    »Sie möchten, dass ich ihm dabei helfe, eine Verteidigung auf verminderter Zurechnungsfähigkeit aufzubauen?«
    Pause. »Nicht unbedingt, Dr. Delaware.«
    »Aber Sie suchen nach irgendeiner psychischen Entschuldigung für seine Taten.«
    »Keine Entschuldigung, Dr. Delaware. Ein Motiv. Und nach dem, was Mr. Muscadine angetan wurde, ist ein erheblicher Leidensdruck doch wohl nicht von der Hand zu weisen, oder?«

    Oster wusste also von dem Nierendiebstahl. Milo hatte gesagt, die Staatsanwaltschaft hielte ihre Informationen noch zurück, weil man erst sehen wollte, wie der Fall sich entwickelte, um dann zu entscheiden, was als Beweis vor Gericht angeführt werden sollte und demzufolge auch der Verteidigung offen gelegt werden musste.
    Das bedeutete, Muscadine hatte seinem Anwalt von der Operation erzählt. Aber Muscadine wusste noch immer nicht, wer der Empfänger gewesen war, und falls die Staatsanwaltschaft beschloss, die Information nicht zu verwenden, also den Namen des Mannes nicht preiszugeben, und falls Oster nicht die richtigen Fragen stellte, würden die Einzelheiten vielleicht nie ans Licht kommen.
    Doch die Schwierigkeiten der Verteidigung konnten sich auch als Nachteil für die Anklagevertretung entpuppen. Denn wenn Muscadine kein Geständnis ablegte, fehlte jeder unmittelbare Beweis für seine Schuld: keine Waffen, keine Zeugen, keine eindeutigen Indizien.
    Was also sollte verwendet, was verborgen gehalten werden?
    Leah Schwartz, die stellvertretende Staatsanwältin, grübelte noch immer darüber nach. Noch immer war die Rede von einem möglichen Kuhhandel mit der Verteidigung, was hieße, Muscadine würde nicht wegen Mordes, sondern wegen eines weniger schweren Vergehens verurteilt werden. Schlimmstenfalls stand sogar eine Einstellung des Verfahrens zu befürchten. Leah Schwartz hatte achtundvierzig Stunden, um entweder Anklage zu erheben oder Muscadine gegen Kaution freizulassen.
    Bedeutete Osters Anruf, dass er die schwache Position der Staatsanwaltschaft in dem Fall nicht richtig eingeschätzt hatte?
    Er sagte: »Also, werden Sie mit ihm reden?«

    »Ich denke, nein.«
    »Warum nicht?«
    »Interessenkonflikt.«
    Mit dieser Antwort hatte er gerechnet, und seine Erwiderung triefte vor hämischer Freude. »Okay, Dr. Delaware, dann rate ich Ihnen dringend, Folgendes zu bedenken:Wenn ich Sie als Sachverständigen vorladen lasse, werden Sie dafür bezahlt. Wenn ich Sie vorladen lasse, und Sie sind nicht bereit zu kooperieren, kann ich Sie immer noch vereidigen lassen und zur Aussage zwingen, aber dann als regulären Zeugen, und Sie bekommen dafür keinen müden Heller.«
    »Das hört sich nach einer Drohung an.«
    »Nein, ich lege Ihnen nur die verschiedenen Möglichkeiten dar. In Ihrem Interesse.«
    »Freut mich immer, wenn jemand meine Interessen im Sinn hat«, sagte ich. »Schönen Tag noch.«
     
    Ich rief Milo an und erzählte ihm von dem Anruf.
    Er sagte: »Wundert mich nicht. Leah hat gesagt, dein Name sei heute bei einem Gespräch mit Oster gefallen. Offenbar hat Muscadine ihm von deinem Besuch erzählt, und Oster macht jetzt ein Heidentheater, weil ein Psychologe Muscadine befragt hat. Er meint, das sei der Beweis dafür, dass wir von Anfang an gewusst hätten, dass sein Mandant unter psychischem Druck stand. Und jetzt will er dich benutzen. Ist eine alte Taktik. Mache den Berater der Gegenseite zu deinem eigenen. Falls er dich nicht umdrehen kann, wird er versuchen, dich im Zeugenstand fertigzumachen, damit du uns weniger nützen

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