Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Armand und die kleine Miss Anna - ehemals Storni Breeze. Ihre einzige Verbindung zum Beruf der Krankenschwester war die Rolle, die sie in einem Ihrer Filme gespielt hat - Oberschwester. Hat Junior ihr beigebracht, wie man einen Nierenpatienten pflegt?«
Keine Antwort.
»Bringen Sie vielleicht Traum und Wirklichkeit ein bisschen durcheinander, Mr. Kruvinski? So wie die Praxis in Beverly Hills, mit den vielen Diplomen und den Visitenkarten, auf denen Junior sich als Spezialist für Fertilitätsbehandlungen ausgibt, aber keine einzige Patientin hat? Alles bloß, damit der Junge sich wichtig vorkommt, was?«
Der alte Mann spuckte aus.
Milo reckte sich und sah sich um. »Dieser OP. Die Dialysemaschinen. Eine ganze Klinik für einen einzelnen Mann.Wenigstens konnte Junior drüben in Santa Monica seine Medizinerträume ausleben. Denn die Chancen, dass er je wieder praktizieren wird, wenn das alles rauskommt, sind gleich null.Vorausgesetzt, der Dreckskerl lässt ihn am Leben.«
Kruvinski sagte lange nichts.
»Schieben Sie mich nach draußen«, befahl er schließlich. »Unter den Baum.«
Er deutete mit einer Klauenhand auf die olivgrünen Vorhänge.
»Welchen Baum?«, fragte Milo.
»Hinter den Vorhängen, Sie Trottel. Machen Sie auf, und bringen Sie mich an die frische Luft.«
Im Schatten der Eiche sagte er: »Sagen Sie mir den Namen.«
»Sie wissen nicht, wie Ihr Spender heißt?«
»Ich weiß von keinem Spender.«
»Sie könnten zu einer medizinischen Untersuchung gezwungen werden.«
»Mit welcher Begründung?«
»Ich bin sicher, dass die Verteidigung gute Gründe finden wird.«
»Viel Glück.« Die knorrigen Hände ruhten in seinem Schoß. Der Kiefer arbeitete noch schneller.
»Wie viele Nieren hat Junior für Sie geerntet?«
»Sie sind verrückt.«
»Schön«, meinte Milo. »Markieren Sie den Dummen. Wenn sich noch andere Opfer melden, wird es für Junior ausgesprochen ungemütlich werden, und der Dreckskerl steht am Ende wie ein Held da. Vielleicht war Ihnen Hope ja egal, bloß das Kind einer Hure. Aber Casey - versuchen
Sie das mal seiner Oma zu erklären, Ihrer Schwester Sonia. Die Kollegen in San Francisco haben mir erzählt, Sie hätten nach einer Drogenrazzia in Berkeley für ihn die Kaution gezahlt und alles wieder in Ordnung gebracht. Dann haben Sie Hope dazu gebracht, ihn als Doktoranden anzunehmen.War nicht besonders schwer. Der Junge war clever, Jahrgangsbester, genau wie Hope. Genau wie Junior. Aber was hat es ihnen gebracht, frage ich Sie.«
Der alte Mann blickte nach oben in den Baum. Ein haarfeiner Lichtstreifen war durch die Blätter gedrungen und malte eine glühende, weiße Narbe mitten in das eingefallene Gesicht.
»Wenn herauskommt, dass Casey sterben musste, weil er sich auf Juniors Machenschaften eingelassen hat, wie wollen Sie das je Ihrer Schwester Sonia erklären und deren Tochter Cheryl, Caseys Mom? Die beiden haben Ihnen ihren Liebling anvertraut. Wie wollen Sie ihnen erklären, dass er jetzt im Kühlfach des Leichenschauhauses liegt, statt an seiner Doktorarbeit zu schreiben?«
Der alte Mann starrte über den Swimmingpool. Der dunkle Boden ließ die Wasseroberfläche spiegeln, so dass seine Tiefe nicht zu ahnen war.Vor zehn Jahren waren dunkle Böden in den Pools große Mode gewesen. Dann waren ein paar Kinder hineingefallen, und niemand hatte es rechtzeitig bemerkt.
»Familienbande«, sagte Milo. »Aber Don Corleone hat sich wirklich um seine Leute gekümmert.«
»Mein Sohn ist -«, sagte der Alte. »So einen Sohn werden Sie nie haben.«
»Amen.«
Die trüben Augen wurden plötzlich weit. »Sie Mistkerl! Kommen hier rein und bilden sich ein, Sie wüssten Bescheid. Sie haben doch keinen Schimmer -«
»Stimmt genau«, sagte Milo. »Ich weiß nicht Bescheid.« »Sie bilden sich ein, Sie wüssten Bescheid«, wiederholte der alte Mann. »Bilden sich ein - Sie Trottel - ich will Ihnen mal was sagen« - er drohte mit einem Finger -, »sie war ein guter Mensch, Hope. Und ihre Mama. Zerreißen Sie sich nicht das Maul - reden Sie nicht schlecht über Menschen, die Sie gar nicht kennen. Sie haben keine Ahnung - also halten Sie endlich die Klappe!«
»Gehörte sie auch zur Familie?«
»Ich habe sie in die Familie aufgenommen.Wer zum Teufel hat wohl für ihre Ausbildung bezahlt? Und wer zum Teufel hat wohl dafür gesorgt, dass ihre Mama nicht mehr anschaffen musste und einen Club leiten durfte, mit regelmäßiger Arbeitszeit, monatlichem Gehalt und einer verdammten
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