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Woerter durchfluten die Zeit

Woerter durchfluten die Zeit

Titel: Woerter durchfluten die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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Mund und Nase, nahm die Bücher und umklammerte sie wie einen Rettungsanker. Dann trat sie vor die Tür und sah sich um.
    Das Feuer hatte sich weiter vorgearbeitet. Es breitet sich zu schnell aus, schoss es Lucy durch den Kopf, bevor sie losrannte. Die Bücher in ihrem Arm behinderten sie, aber sie war nicht gewillt, sie den Flammen zu überlassen.
    Der Weg vor ihr dehnte sich ins Unendliche. Der Rauch nahm ihr erst die Sicht und dann den Atem.
    Ein Krachen ertönte hinter ihr. Lucy sah sich um. Die riesigen Regale begannen einzustürzen. Das Feuer hatte sich durch ihre dicken Eichenbretter gefressen und diese hielten ihm nicht länger stand. Funken stoben durch den Raum und eine Welle aus Flammen, Schutt und Asche flog auf Lucy zu. Sie versuchte, schneller zu laufen. Eigentlich hätte sie längst bei der Treppe angekommen sein müssen. Mit Erschrecken wurde ihr bewusst, dass sie falsch abgebogen war. Sie sah nach oben. Durch den Qualm war der Buchstabe, der der Regalreihe ihren Namen gab, nicht mehr zu erkennen. Lucy begann zu husten. Panik machte sich in ihr breit. Was, wenn sie nicht hinausfand?
    Sie ließ die feuchte Strickjacke, die sie beim Laufen behinderte, fallen und zerrte mit einer Hand einen der sorgfältig verschlossenen Kartons aus dem Regal. Oben auf dem Deckel war deutlich die Signatur zu lesen. Sie begann mit dem Buchstaben L.
    »Verfluchter Mist«, krächzte Lucy in den Lärm des Infernos. Sie hätte in Reihe H abbiegen müssen. Zurück konnte sie nicht. Das Feuer war zu nah. Die Hitze brannte auf ihrer Haut. Den Ausgang würde sie nur noch über Umwege erreichen. Sie nahm das Buch aus dem Karton, den sie achtlos fallen ließ. Sie konnte es nicht zurücklassen und der Vernichtung preisgeben. Dann rannte sie, so schnell ihre schmerzende Lunge es zuließ, weiter.
    Minuten später wurde ihr klar, dass sie sich rettungslos verlaufen hatte. Lucy konnte nicht mehr. Ihr fehlte die Luft zum Atmen. Um sie herum brodelte das Feuer, griff nach allem, was ihm in die Quere kam und fraß es auf.
    Egal, in welche Richtung sie sich wandte, von allen Seiten stürmte es auf sie zu. Eine alles vernichtende Armee, die erbarmungslos ihr Werk verrichtete.
    Sie saß in der Falle.
    Tränen rannen ihr über die Wangen und sie versuchte wütend, sie fortzuwischen.
    Das war sein Werk. Sie hatte ihm vertraut und er hatte sie getäuscht.
    Sie wollte die Gedanken an ihn abschütteln. Wenn sie schon starb, sollte ihr letzter Gedanke nicht ihm gelten. Lucy schluchzte und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Langsam rutschte sie, an eines der Regale gelehnt, zu Boden. Mit der linken Hand umfasste sie das Medaillon fester.
    Dann begann sie zu beten, etwas, das sie nicht mehr getan hatte, seit sie das Kinderheim, in dem sie aufgewachsen war, verlassen hatte.
    Doch die glühend rote Welle ließ sich damit nicht aufhalten. Sie rollte heran und fraß Lucys Welt.
     

 
    Bücher sind wie Fliegenpapier.
    An nichts haften Erinnerungen so gut,
    wie an bedruckten Seiten.
     
    Cornelia Funke »Tintenherz«
     
Epilog
     
    Wasser. Ihre Kehle war furchtbar ausgetrocknet. Sie bekam keine Luft. Jemand goss Wasser über ihre Lippen und strich ihr mit feuchten Fingern über das Gesicht. Ihre Haut kribbelte unter der Berührung.
    »Lucy«, hörte sie eine flüsternde Stimme. »Lucy, du musst aufwachen. Hörst du mich? Bitte wach auf. Wir müssen hier raus.«
    Lucy versuchte zu blinzeln, und ihre Augen zu öffnen. Aber sie waren wie zugeklebt. Wessen Stimme war das?
    Sie spürte, dass sie hochgehoben wurde. Sie spürte ein Schwanken. Er hielt sie fest und lief los. Das Brausen und Tosen des Feuers wurde überlaut. Er lief direkt hinein in die Flammen. Das musste der falsche Weg sein. So würden sie beide verbrennen. Lucy versuchte, zu sich zu kommen. Aber ihr Retter lief so schnell, dass sie Mühe hatte, sich an ihm festzuhalten, um nicht aus seinen Armen zu fallen. Sie spürte, dass er Treppen stieg. Er hat den Ausgang gefunden, dachte sie verwundert, bevor sie wieder das Bewusstsein verlor. Das Letzte, das sie spürte, war der unvermeidliche Londoner Regen, der ihr ins Gesicht tropfte.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Ende 1. Teil
     
     
     

 
    Welchen Leser ich mir wünsche?
    Den Unbefangensten, der mich, sich und die Welt vergisst, und nur in dem Buche lebt.
     
    J.W. von Goethe
     
Nachwort
     
    Der erste Teil der BookLess-Trilogie ist geschrieben und ich hoffe, dass er Euch mindestens genauso gut gefallen

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