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Woerter durchfluten die Zeit

Woerter durchfluten die Zeit

Titel: Woerter durchfluten die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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»Marie holt das Popcorn«, erklärte sie statt einer Begrüßung.
    »Jules, das ist Nathan«, stellte Lucy ihn vor. »Er war so nett, mich zu begleiten. Ich hatte keinen Schirm«, erklärte sie umständlich.
    »Nett?«, fragte Jules und musterte Nathan ungeniert.
    Lucy spürte, dass sie rot wurde.
    »Du musst Juliana sein.« Nathan reichte ihr seine Hand.
    Jules warf Lucy einen Blick zu, der töten konnte.
    »Möchtest du mit ins Kino«, fragte sie Nathan, klang dabei aber nicht im Mindesten einladend.
    »Nein, keine Sorge.« Nathan grinste sie mit so entwaffnender Offenheit an, dass Jules schmunzeln musste.
    »Vielleicht ein anderes Mal«, meinte sie versöhnlicher.
    »Vielleicht.« Nathan wandte sich Lucy zu.
    »Wir sehen uns.« Es klang wie eine Bitte.
    »Gern«, antwortete sie und wünschte im selben Augenblick, dass er  »morgen« hinzufügen würde.
    Nathan nickte und wandte sich ab. Doch plötzlich drehte er sich um.
    »Ich hab’ noch was vergessen«, sagte er und zauberte einen Stift aus seiner Jacke. Er griff nach Lucys Hand und schrieb ihr seine Telefonnummer auf den Handrücken.
    »Nur für alle Fälle«, erklärte er und verschwand zwischen den Passanten, die die Straße bevölkerten.
    Jules sah ihm kopfschüttelnd hinterher. »Das ist also Nathan de Tremaine«, stellte sie fest. »Jetzt weiß ich auch, was Colin meinte. Wie kamst du denn zu der Ehre seiner Begleitung?«
    »Zufällig besucht er mit mir dieselbe Vorlesung bei Professor Wyatt, das habe ich dir doch erzählt.«
    »Du hast gesagt, dass er dich finster anschaut. Und das war gerade das Letzte, was er tat«, entgegnete Jules.
    »Er war einfach nur nett«, behauptete Lucy noch einmal und hakte sich bei Jules unter. »Was gucken wir?«, fragte sie.
    » King’s Speech. Sie zeigen den Film ein letztes Mal. Lass uns reingehen, sonst verpassen wir den Anfang. Ich liebe Colin Firth. Er ist hier nicht so gut wie in Bridget Jones , aber besser als gar nichts.«
    Marie wartete ungeduldig auf die beiden. »Wo bleibt ihr denn?« Im Arm hielt sie einen riesigen Eimer Popcorn. »Wir müssen rein.«
    »Nathan de Tremaine hat unsere kleine Lucy zum Kino begleitet«, flüsterte Jules ihr ins Ohr.
    »Na, da bahnt sich doch was an«, erwiderte Marie triumphierend. »Ich habe es gleich gewusst, als er zum ersten Mal in die Bibliothek kam. Ein Bücherwurm für unsere Leseratte.« Marie und Jules lachten los. Lucy schüttelte über ihre albernen Freundinnen den Kopf.
    Obwohl sie Colin Firth normalerweise umwerfend fand, fiel es ihr schwer, sich auf den Film zu konzentrieren. Immer wieder schob sich Nathans Gesicht vor das von George VI. auf der Kinoleinwand.
     
    Nach dem Film, beschlossen die drei bei ihrem Lieblingsitaliener zu Abend zu essen.
    Kaum saßen sie, begann Marie mit ihrem Verhör. »Wie war es mit Nathan? Du musst uns alles genau erzählen«, forderte sie Lucy auf.
    »Wie soll es schon gewesen sein? Wir sind gemeinsam U-Bahn gefahren und zum College gelaufen. Alles ganz harmlos«, wehrte Lucy ab.
    »So harmlos sah es nicht aus«, warf Jules ein und tunkte ihr Brot in ein Schälchen mit Olivenöl. »Ihr wart ganz schön eng aneinandergekuschelt, würde ich sagen.«
    »Der Schirm war eben klein und er wollte nicht, dass ich nass werde«, verteidigte sich Lucy schlapp.
    Marie grinste sie an. »Jetzt gib doch zu, dass du ihn süß findest.«
    »Er ist nett«, bestätigte Lucy. Jules und Marie sahen sie streng an.
    »Ok, sehr nett.« Lucy griff nach ihrem Wasserglas und trank einen großen Schluck.
    »Wann trefft ihr euch wieder?«
    Konnte Jules nicht lockerlassen?
    »Ich weiß nicht«, antwortete Lucy ungehalten. »Ich schätze, er wird in den nächsten Tagen in der Bibliothek aufkreuzen. Ich hoffe nur, dass er mit Alice fertig ist. Ich frage mich sowieso, was er an dem Buch so toll findet.«
    Marie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es nur ein Vorwand, um dich zu sehen«, vermutete sie.
    Jules nickte bestätigend.
    »Ihr spinnt doch«, lachte Lucy und war froh, dass der Kellner in diesem Moment ihre Nudeln brachte.
    Eigentlich hatte Lucy sich vorgenommen, heute Abend mit Marie und Jules über die Bücher zu sprechen, aber mit den beiden war kein vernünftiges Gespräch möglich. Nach zwei Gläsern Wein kicherten sie bloß noch vor sich hin. Sie musste sich etwas anderes überlegen und auf einen besseren Zeitpunkt warten.
     
    **********
     
    »Nathan ist schon da«, begrüßte Marie Lucy, als diese am nächsten Nachmittag in der Bibliothek

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