Woerter durchfluten die Zeit
er sie nicht mit Maries peinlicher Bemerkung aufgezogen hatte.
Sie sah ihm hinterher, wie er mit langen Schritten dem Kiesweg des Parks folgte.
Die Frau hinter dem Tresen lächelte sie an.
»Ein ausgesprochen hübscher Mann«, sagte sie zu Lucy, die nur nickte und sich auf den Rückweg in die Bibliothek machte.
Der Anruf seines Großvaters kam am nächsten Tag.
»Wie weit bist du mir ihr?«, fragte er.
»Ich werde dich nicht enttäuschen«, antwortete Nathan ausweichend.
»Das weiß ich. Mich interessiert, ob du etwas über sie in Erfahrung bringen konntest.«
»Sie ist sehr verschlossen. Aber ich glaube trotzdem, dass sie nicht weiß, wer ich bin oder wer sie ist.«
»Glauben reicht mir nicht. Ich werde mich selbst um die Sache kümmern, und du schließt so schnell wie möglich die Arbeit an Alice ab. Der Einband ist fertig. Die Buchbinder haben hervorragende Arbeit geleistet. Erst wenn das Buch in unserem Besitz ist, können wir sicher sein, dass sie nicht weiß, wer wir sind und über welche Fähigkeiten sie verfügt.«
Nathan legte auf. Seine Hände waren feucht. Was meinte sein Großvater damit, dass er sich selbst darum kümmern wollte? Wenn er Alice rettete, würde Batiste ihm dann Lucy überlassen? Er wollte das Problem gern auf seine Art lösen.
Geduldig wartete Nathan am nächsten Tag im Eingangsbereich der Bibliothek darauf, dass Marie das Gespräch mit einem anderen Besucher beendete.
»Ist Lucy da?«, fragte er.
»Selbstverständlich«, antwortete Marie. »Hätte ich dir sonst den Termin gegeben?«
»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Nathan.
»Geh in den Lesesaal und setz dich. Ich sage ihr Bescheid. Und sei nett zu ihr. Das letzte Mal war sie ganz aufgelöst.«
Nathan lächelte. »Ich geb’ mir Mühe.«
Nathans Lächeln konnte Marie nichts anhaben, dafür war sie viel zu sehr in Chris verliebt. Bei Lucy war sie da nicht so sicher. Vor zwei Tagen war sie ganz aufgelöst aus ihrer Mittagspause zurückgekommen und hatte Marie trotz ihrer kleinen Meinungsverschiedenheit sofort von dem unverhofften Zusammentreffen im Park erzählt.
Sie griff nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer des Archivs.
»Er ist da«, verkündete sie.
»Wer?«, fragte Lucy.
»Du weißt genau, wen ich meine.« Marie stieß den Atem aus und legte auf.
Wie beim letzten Mal nahm Lucy das Buch aus dem Karton und brachte es Nathan.
Dabei entging ihr nicht, dass er sie aufmerksam musterte.
»Wie geht es dir?«, fragte er.
»Alles in Ordnung«, erwiderte sie wortkarg. Sie setzte zu ihrer Belehrung an.
Nathan unterbrach sie. »Du musst mir das nicht jedes Mal vorbeten.«
«Es ist so Vorschrift«, erwiderte sie.
Er ließ sich nicht beirren. »Ist eigentlich dein Arm wieder ok? Ich habe gestern vergessen, dich zu fragen.« Sein besorgter Blick suchte ihr Handgelenk. Das Mal war, wie immer, unter ihrem langärmeligen Pulli verborgen. Sachte pulsierte es vor sich hin. Lucy ärgerte sich, dass sie es ausgerechnet ihm gezeigt hatte. Nicht einmal Marie und Jules wussten davon.
»Wirst du zeichnen oder lesen?«, fragte sie statt einer Antwort und brach damit nach genau zwei Minuten ihr Vorhaben, nicht länger als nötig mit ihm zu kommunizieren.
»Lesen«, antwortete er knapp.
»Ich muss um vierzehn Uhr los zu meiner Vorlesung. Vorher hole ich das Buch.«
»Ok.« Nathans Stimme klang weich.
Lucy musterte ihn misstrauisch.
»Professor Wyatt?«, fragte er und Lucy nickte.
»Wir könnten zusammen hinfahren, wenn du möchtest«, schlug er vor.
Lucys Verstand sagte Nein.
»Ja, klar«, kam es über ihre Lippen. Dann wandte sie sich ab und ließ ihn allein.
Es war ein Fehler gewesen, ihm das Buch zu überlassen. Lucy wusste es in dem Moment, in dem sie es ihm gab. Aber was sollte sie tun? Sie konnte es ihm nicht wieder wegnehmen.
In Gedanken ging sie jede Episode durch, die ihr aus der Alice-Geschichte in Erinnerung geblieben war. Sie hatte das Buch nicht besonders gemocht. Die Herzkönigin war ihr zu dumm und das weiße Kaninchen zu nervtötend. Als sie später einmal las, dass Caroll seine Geschichte womöglich unter Drogeneinfluss verfasst hatte, erschien ihr das durchaus logisch. Trotzdem war das Buch für viele Menschen ein Kunstwerk. Es durfte nicht verloren gehen. Nur wie sollte sie es schützen? Wenn es diesmal unversehrt zurückkam, dann würde sie es verstecken und behaupten, es verlegt zu haben. Das schwor sie sich.
Lucy setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl. Wie kam es
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