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Woerter durchfluten die Zeit

Woerter durchfluten die Zeit

Titel: Woerter durchfluten die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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Kratzer.«
    Nathan stand auf und folgte Lucy in die Küche. Gemeinsam nahmen sie an dem kleinen Tisch Platz.
    »Was studierst du?«, fragte Nathan Jules.
    »Architektur«, erklärte diese, während sie aus dem alten Küchenbuffet Tassen hervorholte. »Und du?«
    »Englische Literatur und Kunstgeschichte.«
    »In welchem Jahr bist du?«, fragte Jules. Lucy verdrehte bei dieser neugierigen Fragerei die Augen.
    »Im dritten. Ich habe vorher in Paris, Berlin und Lissabon studiert. Leider werden hier nicht alle meine Scheine anerkannt.«
    Jules nickte beeindruckt.
    »Schön habt ihr es«, wechselte Nathan das Thema und sah sich in der Küche um.
    »Die Wohnung hat mein Vater gekauft«, erklärte Jules. »Er wollte nicht, dass ich in einem Studentenwohnheim ein Zimmer miete. Ich schätze, er kann sich zu gut daran erinnern, was während seiner Studentenzeit da so los war.« Jules kicherte.
    Wieder klapperte ein Schlüssel in der Tür. »Hallo Mädels«, erklang Colins Stimme. Dann streckte er seinen Kopf zur Küchentür herein und schnupperte. »Gibt’s Kuchen?«, fragte er. Lucy und Jules schüttelten gleichzeitig die Köpfe. Erst jetzt bemerkte er Nathan. Für einen winzigen Moment zog er seine Augenbrauen zusammen.
    »Hi«, sagte er und reichte ihm die Hand. »Ich bin Colin.«
    »Wohnst du auch hier?«, fragte Nathan. Colin nickte und griff nach Lucys Kaffeetasse. Nathan registrierte das mit einem verwunderten Blick.
    »Die Mädels haben mir Asyl angeboten«, verbog Colin die Tatsachen. »Dafür bekoche ich sie.«
    »Ich habe eingekauft«, erklärte Jules. »Chinesisch. Du kannst gleich anfangen zu schnipseln.«
    Colin verdrehte theatralisch seine Augen. »Ich bin ihr Sklave«, behauptete er dann.
    »Ich muss los.« Nathan nutzte die Gelegenheit, als Colin aufstand, um Jules Einkauf zu inspizieren.
    Er wandte sich an Lucy. »Vielleicht hast du Lust, mir am Wochenende die Stadt zu zeigen?«
    Lucy sah ihn an. War das sein Ernst?
    Nathan wartete geduldig auf eine Antwort.
    »Klar hat sie Lust«, fuhr Jules dazwischen. »Sie hockt sowieso viel zu viel in geschlossenen Räumen.«
    Bevor Lucy etwas einwenden konnte, schob Jules Nathan in den Flur hinaus. »Sie ruft dich an«, hörte Lucy noch Jules ’ Stimme, bevor die Tür ins Schloss fiel.
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen«, warf Lucy Jules vor, als diese zurück in die Küche kam. »Vielleicht wollte ich mich gar nicht mit ihm verabreden.«
    »Du wolltest«, entgegnete Jules im Brustton der Überzeugung. »Glaub mir. Ich sehe es dir an und Nathan sicher auch. Colin sag doch auch mal was.«
    »Ich halte mich da raus. Ich finde sowieso, dass keiner gut genug für meine Prinzessin ist.«
    Er lächelte Lucy an und begann, den Lauch klein zu schneiden.
    »Er ist mir manchmal etwas unheimlich«, gestand Lucy.
    »Das Einzige, was er ist, ist unheimlich gut aussehend«, widersprach Jules. »Den darfst du dir unter keinen Umständen entgehen lassen. Außerdem ist er höflich, zuvorkommend und klug.«
    »Das würde ich so nicht sagen«, unterbrach Lucy sie spitz und stand auf. Sie räumte das benutzte Geschirr in die Spüle und begann abzuwaschen. Jules griff sich ein Geschirrhandtuch.
    »Was genau findest du unheimlich?«, fragte Jules nach. »Und sag jetzt nicht seine rabenschwarzen Augen. Die sind nämlich nicht unheimlich, sondern umwerfend.«
    Das war der geeignete Moment, um Jules von den Büchern zu erzählen. Doch nun sträubte sich alles in ihr, ihren Freunden von dem Mal, den Träumen und den wispernden Büchern zu berichten. Sie befürchtete, dass Jules und Colin sie für verrückt erklären würden. Na gut, Colin vielleicht nicht.
    Aber es war verrückt. Völlig verrückt.
    Deshalb zuckte sie nur mit den Schultern und antwortete nicht. Jules beließ es dabei und unterhielt sich mit Colin.
     
     Als Lucy abends im Bett lag, wanderten ihre Gedanken zu Nathan. Er faszinierte sie, das musste sie zugeben. Wie hatte er das angestellt? Eigentlich hatte sie ihn eingebildet und hochnäsig gefunden. Und nun? Ihre widersprüchlichen Gefühle verwirrten sie. Sie musste zu viel an ihn denken.
    Eigentlich hatte sie an diesem Abend noch arbeiten wollen. Nächste Woche musste sie ein Referat halten und bislang hatte sie noch nichts dafür getan. Das war völlig untypisch für sie. Auch heute hatte sie nichts Sinnvolles zustande gebracht.
    Am Wochenende würden sie sich wiedersehen.
    Vielleicht sollte sie ihn dann auf die Bücher ansprechen. Er konnte nichts damit zu tun

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