Woerter durchfluten die Zeit
eintraf.
Lucy nickte und versuchte ihr freudiges Lächeln zu verbergen. Marie durchschaute sie trotzdem.
»Er wartet auf dich und auf Alice «, erklärte sie. »Ich wollte ihn nicht wegschicken, obwohl ich selbstverständlich weiß, dass er keinen Termin hat.«
Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, das Buch zu verstecken. Jetzt geriet ihre Entscheidung ins Wanken. Schließlich war dem Buch bisher nichts passiert.
»Sag ihm, ich bringe es gleich.«
Sie stürmte in den Keller. Ihre Tasche und ihre Jacke landeten achtlos auf dem Stuhl in ihrem Büro. Sie griff nach dem Buch und zuckte gleichzeitig zurück. Ihr Mal loderte auf. Es brannte wie Feuer. Hastig riss sie den Ärmel ihrer Bluse zurück. Rot glühend leuchtete ihr das Zeichen entgegen. Es puckerte und pulsierte stärker als je zuvor. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie es an. Ihr Herz schlug ihr vor Angst bis zum Hals. Sie nahm ein Taschentuch, benetzte es mit Wasser aus ihrer Trinkflasche und legte es über das brennende Mal. Langsam beruhigte es sich wieder. Lucy atmete tief durch. Sie wollte Nathan nicht länger warten lassen. Vorsichtig griff sie mit der anderen Hand nach dem Buch. Der Schmerz flammte erneut auf und ließ sie schwindeln. Sie biss die Zähne zusammen und trug das Buch zum Lift.
Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, als sie die Treppe hinaufging.
Nathan sah ihr mit besorgtem Blick entgegen, als sie, das Buch unter ihren linken Arm geklemmt, zu ihm kam.
»War der Film gestern so schlecht?«, flüsterte er und nahm ihr das Buch ab. Er griff nach einem Stuhl, der an einem der benachbarten Tische stand, und drückte Lucy darauf.
»Wieso?«, fragte Lucy und versuchte sich an einem Lächeln.
»Du siehst nicht gut aus«, erklärte Nathan. »Versteh mich bitte nicht falsch. Ich mag es, wie du aussiehst.«
Jetzt vertiefte sich Lucys Lächeln und sie senkte verlegen den Blick.
»Aber du wirkst gerade, als wärst du krank«, erklärte er. »Soll ich dich nach Hause bringen? Ich kann auch ein anderes Mal wiederkommen. Das Buch läuft schließlich nicht weg.«
Lucy schüttelte den Kopf. »Es geht schon. Es ist nur … Es ist das Mal. Ich weiß nicht, was es hat. Es brennt fürchterlich.«
«Du solltest damit zu einem Arzt gehen«, riet Nathan nach einem Moment des Schweigens.
Lucy nickte. »Ja, vielleicht.« Dann stand sie auf und ging langsam wieder nach unten. Sie hoffte, dass Nathan nicht zu lange brauchte. Erschöpft setzte sie sich an ihren Schreibtisch und legte den Kopf auf ihre Arme. Innerhalb von Minuten war sie eingeschlafen.
Sie träumte. Bücher flogen durch ihren Traum. Manche langsam, andere schneller. Sie drehten sich, trudelten oder flogen tatsächlich, indem sie ihre Buchrücken auf und ab bewegten wie Vögel, die dem blauen Himmel entgegenstrebten. Immer wieder näherten sie sich ihrem Gesicht und zeigten ihr ihre Seiten. Manche waren leer. Auf anderen war die Schrift durchscheinend und von einigen lösten sich die Buchstaben und flogen davon. Vertrautes Wispern hallte durch ihren Traum. Die Bücher flehten sie an, ihnen zu helfen. Lucy fühlte, wie sie immer kraftloser wurde. Ich kann doch nichts tun, flüsterte sie. Ich weiß doch nicht, was geschehen ist. Du musst dich erinnern , hörte sie die Bücher in ihrem Kopf. Erinnere dich .
Eine Tür schlug laut ins Schloss und riss Lucy aus ihrem Traum.
»Lucy?«, hörte sie kurz darauf Marie rufen. »Ist alles in Ordnung?
Lucy stand auf, rieb sich über ihr Gesicht und trat aus dem Büro.
Mit hastigen Schritten kam Marie auf sie zu.
»Ja, klar. Was soll sein?«
»Du bist nicht ans Telefon gegangen. Ich habe es ewig klingeln lassen«, erklärte Marie vorwurfsvoll. »Da musste ich ja runterkommen. Nathan wollte schon selbst gehen. Aber selbstverständlich ist es gegen die Vorschrift.«
»Ist er schon fertig?«, fragte Lucy verständnislos und sah auf ihre Uhr. Drei Stunden. Sie konnte unmöglich drei Stunden geschlafen haben.
»Er ist ziemlich besorgt. Und wenn ich dich nicht mit ans Tageslicht bringe, kommt er womöglich noch nach unten. Mr. Barnes würde einen Herzkasper bekommen.«
»Ich komme.« Lucy folgte Marie auf wackligen Beinen. Oben vor der Tür wartete Nathan. Aufmerksam sah er sie an.
»Wir haben befürchtet, dass du ohnmächtig geworden bist oder so was«, erklärte er mit angespannter Miene.
»Alles in Ordnung. Ich habe Bücher einsortiert und das Klingeln nicht gehört. Sorry«, entschuldigte Lucy sich halbherzig. Nathan hob fragend eine
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