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Woerter durchfluten die Zeit

Woerter durchfluten die Zeit

Titel: Woerter durchfluten die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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haben, das stand fest. Alice war völlig unversehrt geblieben. Ob sie ihm vertrauen konnte? Konnte sie ihm von den verschwundenen Büchern erzählen? Sie würde es darauf ankommen lassen. Sie hoffte zudem auf eine Antwort von Madame Moulin. Merkwürdig, dass sie noch nicht zurückgeschrieben hatte. Vermutlich war sie sehr beschäftigt. Lucy musste sich in Geduld üben. Erst einmal würde sie mit Nathan sprechen. Mit diesem beruhigenden Gedanken schlief Lucy ein.
     

 
    Ein Raum ohne Bücher
    ist wie ein Körper ohne Seele.
     
    Cicero
  7. Kapitel
     
    Batiste de Tremaine schäumte vor Wut. Er hatte sich nicht erklären können, woher dieses Mädchen aufgetaucht war. Heute hatte er seine Antwort bekommen. Die Unterlagen waren auf seinem Schreibtisch ausgebreitet.
    Sie hatten ihn überlistet. Nicht einen einzigen Tag in den letzten Jahren hatte er vermutet, dass ihnen dies gelungen sein könnte. Aber sie hatten das Kind versteckt. Sie verbargen es rechtzeitig vor ihm und er sonnte sich all die Jahre in seinem Ruhm, die letzte Hüterin vernichtet zu haben.
    Das Schicksal hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch er würde sich nicht geschlagen geben. Noch einmal entkam sie ihm nicht. Vorher musste Nathan nur herausfinden, wie viel sie wusste. Sie mussten sichergehen, dass sie tatsächlich die Letzte war. Noch einmal durfte er nicht versagen. Nathan war seine ganze Hoffnung. Er würde mehr erreichen als jeder vor ihm.
    Wieder blätterte er die Unterlagen durch. Er hatte seine immer noch engen Kontakte zum King’s College genutzt, um sich die Akten zu verschaffen. Niemand dort wagte es, ihm Informationen vorzuenthalten.
    Sie war eine Waise. Das war allerdings keine Neuigkeit für ihn. Sie hatten sie in einem Kinderheim versteckt. Vielleicht hätte er viel früher nachforschen müssen. Wie war sie dorthin gekommen? Wie hatten sie das angestellt? Hatten sie das Kind ausgesetzt? Er musste mehr herausfinden. Er musste wissen, was diejenigen wussten, die das Mädchen gefunden und großgezogen hatten. Er glaubte nicht, dass sie dem Kind keine Informationen über seine Herkunft und seine Fähigkeiten hinterlassen hatten.
    Schwerfällig richtete er sich hinter dem Schreibtisch auf und griff nach seinem Stock.
    »Sirius, Orion«, befahl er. Die beiden schwarzen Doggen richteten sich auf und folgten ihm. Mühsam brachte er den Weg zu der alten Kapelle hinter sich, die am Rande des Parks verborgen zwischen den Bäumen lag. Das kleine Gotteshaus war noch älter als das Schloss. Er zog einen verschnörkelten schmiedeeisernen Schlüssel aus seiner Jackentasche. Geräuschlos öffnete sich die alte Tür und gab den Blick ins Innere frei. Holzbänke standen zur rechten und linken Seite des Altars. Kerzen brannten darauf, die das Kreuz erhellten, das darüber an der Wand hing.
    Zielsicher bahnte Batiste sich seinen Weg hinter den schmucklosen Altar. Eine schmale gewundene Treppe führte von hier aus in die Familienkrypta. Seit die de Tremaines das Schloss bewohnten, wurden sie auch hier unten begraben und bewahrten so den Schatz auch noch nach ihrem Tod.
    Batiste griff an die Seite eines Sarges, der aussah, als würde er seit Menschengedenken hier stehen. Ein verborgener Mechanismus setzte sich in Gang und das steinerne Ungetüm schob sich zur Seite. Dahinter kam erneut eine Treppe mit einem kunstvoll verzierten Geländer aus Gusseisen zum Vorschein, die sich spiralförmig nach unten wand.
    Die unterirdischen Hallen, in denen die Familie ihren Schatz seit der Vertreibung aus ihrer Heimat hütete, waren von Generation zu Generation tiefer in die Felsen der Küste geschlagen worden. Niemand würde ihn hier finden. Hier war er sicher.
    Vorsichtig tastete Batiste sich hinunter. Es fiel ihm von Mal zu Mal schwerer. Es war an der Zeit, dass Nathan seinen Platz einnahm. Die Doggen folgten Batiste vorsichtig. Die rohen Felswände, die den Gang säumten, waren verwittert, aber sie schützten das Geheimnis zuverlässig. Und sie würden es noch lange tun. Es war seine Pflicht, dafür zu sorgen.
    Am Fuß der Treppe befand sich eine weitere verschlossene Tür aus massivem Holz. Batiste öffnete sie, betrat den Saal und schnippte mit den Fingern. Fackeln flammten auf. Sie steckten in Haltern an den Wänden des riesigen Raumes und ließen ihn in warmem Licht erstrahlen. Batiste richtete sich beim Anblick des Schatzes, der hier lagerte, auf und atmete tief ein. Hier schöpfte er Kraft für seine Aufgabe. Hier konnte er sein, was er in

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