Woerter durchfluten die Zeit
nicht geglaubt. Er war überzeugt gewesen, dass er es schaffen würde, dass Lucy ihm Glauben schenken, dass sie ihm vertrauen und folgen würde. Er hatte sich von ihr vertrösten und sie gehen lassen. Wenn sein Großvater davon erfuhr, würde er ihn auslachen.
Der Stuhl ihm gegenüber wurde zurückgeschoben. Mit zusammengezogenen Brauen sah Nathan auf. War Lucy zurückgekommen? Hatte sie eingesehen, dass sie einen Fehler gemacht hatte? Doch es war ein Mann, der jetzt Platz nahm.
Er schob Lucys benutzte Teetasse zur Seite und lächelte Nathan kalt an.
»Ich dachte«, sagte er, »ich sehe mir meine kleine Braut einmal an. Sie scheint mir eine richtige Kratzbürste zu sein, oder täusche ich mich?«
Nathan schoss das Blut in die Schläfen.
»Noch ist sie nicht Eure Braut, Beaufort.« Nathan sprang auf und riss so heftig an seiner Jacke, dass der Stuhl kippte. Dann verließ er fluchtartig das Lokal.
Er war nicht schnell genug.
»Aber sie wird es sein«, rief der Mann ihm hinterher und lachte meckernd.
Nathan wusste, dass es ein Fehler gewesen war, kaum dass er aufgesprungen war. Er hätte sich seine Gefühle für Lucy nicht anmerken lassen dürfen. Beaufort würde zu seinem Großvater gehen und ihn mit diesem Wissen demütigen. Seit Ewigkeiten versuchte die Familie Beaufort in den Rang des Bischofs aufzusteigen und die Geschicke des Bundes zu lenken. Bisher war ihnen das nicht gelungen. Doch nun, da eine Hüterin aufgetaucht war, rückte dieses Ziel in den Bereich des Möglichen. Seiner Familie stand das Recht zu, die weibliche Linie fortzuführen. Nathan war sicher, dass Lucy sich hierzu nicht freiwillig hergeben würde. Obwohl er eben noch wütend auf sie gewesen war, hatte er nun Angst um sie.
Sie stand ihm nicht zu, das wusste er. Eine der eisernen Regeln des Bundes besagte, dass die gesegneten Kinder sich nicht vereinigen durften. Er konnte nur raten, weshalb das so war. Vielleicht sollte die Macht im inneren Kreis ausgewogen bleiben. Vielleicht fürchtete der Bund die übergroße Macht eines Kindes, das die Fähigkeiten zweier Kinder in sich vereinigte. Nathan hatte nie gefragt, da er überzeugt war, dass die Hüterinnen vernichtet worden waren.
Vernichtet? War das das Schicksal, das Lucy bevorstand, wenn sie sich nicht beugte? Es musste ihm gelingen, sie von der Richtigkeit seines Tuns zu überzeugen, dann würde er weitersehen. Tief in seinem Inneren wusste er, dass er sie beschützen würde. Aber noch wollte er diesen Gedanken nicht zulassen.
*****************
Erschöpft ließ Lucy sich auf ihr Bett fallen. Am liebsten hätte sie sich, so wie sie war, unter ihre Decke gekuschelt und wäre eingeschlafen. Aber das ging nicht, sie musste mehr über sich und Nathan herausfinden und über den Bund, von dem er gesprochen hatte.
Lucy war sich nicht sicher, was sie von dem, was der Bund tat, halten sollte.
Sie setzte sich an ihren Rechner und wartete geduldig, bis er die vertraute Startseite anzeigte. Dann gab sie »Montségur« ein und vertiefte sich in die Schilderungen der Streitigkeiten zwischen der katholischen Kirche und den Katharern, aus denen die Kirche schlussendlich als Siegerin hervorgegangen war. Die Katharer hatten einen hohen und blutigen Preis bezahlt, um ihr Geheimnis zu schützen. Ähnlich wie die Templer waren sie unter einem Vorwand vom Papst zu Ketzern erklärt worden. Weshalb diese christliche Abspaltung nicht so populär geworden war wie ihre Glaubensbrüder, über die unzählige Bücher und Filme existierten, konnte Lucy nur raten. Vermutlich hatten weder die wenigen Überlebenden noch die Kirche Interesse daran, dass die Katharer den Menschen im Gedächtnis blieben, und so waren sie aus der allgemeinen Erinnerung verschwunden. So hatten sie über Jahrhunderte unbemerkt ihre eigentliche Aufgabe fortführen können.
Nathan nannte es »Bücher in Obhut nehmen«. Philippa hatte behauptet, dass es nicht richtig war, was der Bund tat. Lucy war verwirrt. Hätte das Medaillon ihr nicht die Bilder von Philippa gezeigt, hätte sie Nathan vermutlich zugestimmt, dass die Bücher es verdienten, gerettet zu werden. Aber nun kannte sie auch die andere Seite, kannte die Ansicht der Hüterin. Was sollte eigentlich ihre Aufgabe sein? Nathan hatte gesagt, dass sie ihm helfen sollte. Auch sie hatte die Kraft, den Büchern ihre Worte zu nehmen und sie vergessen zu machen. Sie musste sich nur von seinem Großvater darin unterrichten lassen. Ihr gruselte bei dem Gedanken. Die Bücher litten
Weitere Kostenlose Bücher