Wofuer es sich zu sterben lohnt
für Paterson zu tun hatte.
Das Letzte, was sie fand, war eine kleine Mitteilung, ge tarnt als Entwurf für eine Moderation, die er an sich selbst gemailt hatte.
»Die Ägypter missbrauchen und nutzen äthiopische Frauen seit Jahrtausenden aus. Die frühen koptischen Patriarchen aus Alexandria verkauften die Frauen, für deren Seelen sie sorgen sollten, an ihr Heimatland im Norden. Diese Tra dition lebt leider weiter. Ägyptische Firmen verkaufen jetzt nicht mehr die Körper der Afrikanerinnen, stattdessen wird deren Wissen ausgebeutet. Professor Mariam GebreSelas sie (nicht mit dem Langstreckenläufer verwandt) gehört zu den führenden Radiologinnen Afrikas. Sie hat ihre Ausbil dung in Genf absolviert, nachdem sie ein heiß begehrtes Stipendium erhalten hatte. Derzeit baut sie in Addis Abeba Ostafrikas modernstes Röntgenzentrum auf.
Aber zugleich ist sie ein Opfer der zynischen modernen Ausbeutung Afrikas. Abends und an den Wochenenden ar beitet sie für einen reichen Amerikaner, der ihr ungefähr denselben Stundenlohn bezahlt wie seiner amerikanischen Putzfrau. Ein ägyptisches Konsortium vermittelt die Kon takte und bereichert sich an der Arbeit der Äthiopierinnen. Die Patienten in den USA glauben, der berühmte Profes sor Paterson habe ihre Röntgenbilder beurteilt. Da irren sie sich. Nicht er erklärt sie für gesund oder findet ihre Tumore, sondern Professor GebreSelassie. Professor GebreSelassie ist eine schweigende Mitläuferin bei diesem unethischen Schachern mit menschlichen Ressourcen. Professor Pater son gibt ihre Beurteilungen als seine eigenen aus, und Pro fessor GebreSelassie bezahlt keine Steuern für das Geld, das auf ein geheimes Bankkonto geschleust wird …«
Sie sank auf ihrem Stuhl in sich zusammen.
Ihr Name und ihr Ruf hatten das Röntgenzentrum be treiben und ihre Reputation hatte Patienten, Kollegen und Investoren anziehen sollen. Der Ruf, den sie sich durch jahrelange harte Arbeit erworben hatte, war so zerbrech lich wie jeder Leumund. Ein Fleck, und er platzte wie ein Ballon und sank als unbrauchbarer runzliger kleiner Hau fen zu Boden.
Das durfte nicht passieren.
Ostafrika brauchte ihr Zentrum - es durfte nicht, konn te nicht daran scheitern, dass sie den falschen Mann in ihr Schlafzimmer gelassen hatte.
Sie kniff die Augen zusammen, versuchte ruhiger zu at men, aber das gelang ihr nicht. Stattdessen fing sie an, das Positive aufzuzählen, das es in dieser Situation immer noch gab.
Sie war zu früh nach Hause gekommen und hatte ihn gestört - vielleicht hatte er nicht alles gefunden, wonach er suchte. Bei diesem Gedanken wurde sie ein wenig ruhi ger. Der zweite positive Aspekt war, dass er sie am nächsten Tag treffen wollte. Also musste es Verhandlungsspielraum geben. Es wäre vielleicht möglich, noch ein oder zwei Jah re zu warten, bis ihr Zentrum den Betrieb aufgenommen hatte - dann würde sie weder Professor Paterson noch die Ägypter brauchen. Aber diese Hoffnung war sicher vergeb lich - im Journalismus musste immer alles sofort stattfin den, so schnell wie möglich. Um zu verhindern, dass mög licherweise andere dieselbe Fährte verfolgten.
Und wie sollte sie ihr Selbstbewusstsein zusammen flicken? Sie war auf einen Heiratsschwindler hereingefal len. Auf den jämmerlichsten aller Tricks. Er hatte ihr einige genussvolle Stunden auf seiner verschlissenen, gestreiften Tagesdecke beschert, danach hatte er ihr Informationen ge stohlen, die für Geld nicht zu kaufen waren.
Als Theo ihr die Hände auf die Schultern legte, fuhr sie zusammen. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
»Wieder verspannt, Mütterchen?«
Er massierte sie ein wenig zum Scherz, wie er das oft machte, hörte aber sofort auf, als er ihr Zittern bemerkte.
»Ist etwas passiert?«
Sie brachte es nicht über sich, »nichts« zu sagen, deshalb antwortete sie:
»Die Sache mit Salomon ist schiefgegangen.«
»Ja, das habe ich gehört.«
»Ierusalem dürfte nicht klatschen.«
Theo musterte sie besorgt.
»Ist es ernst?«
»Es ist wohl nicht mehr gutzumachen - aber wenn du ei nen guten Rat haben willst, dann überlass deinen Compu ter niemals einem Journalisten. Was für ein Schwein!«
Als sie Theos verbissenes Gesicht sah, versuchte sie, die Stimmung durch eine neue Lüge aufzulockern.
»Keine Sorge. Das findet sich schon. Wir sehen uns mor gen bei Miss Ethiopia, und dann werden wir das Problem schon klären.«
Sie versuchte, ein Vertrauen einflößendes Mutterlächeln zustande zu bringen, aber
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