Wofuer es sich zu sterben lohnt
sie mit undurchschaubarer Miene an, schien einen Entschluss zu fassen.
Sie spürte fast den Windhauch in ihren Haaren, als er plötzlich seinen ganzen Charme aufbrachte.
»Mariam - ich liebe dich. Ich werde dir helfen. Wir ste hen das hier zusammen durch, du und ich!«
Er nahm ihre Hand und drückte sie auf seine Brust, so dass sie unter seinen Rippen seinen raschen Herzschlag hö ren konnte.
»Mariam! Ich weiß jetzt, was du durchgemacht hast. Ich habe dein Leid gesehen.«
Er sah sie an, mit einem ehrlichen Blick, der schon so vie le seiner Interviewopfer getäuscht hatte.
»Mariam, hier liegt eine verdammt große und schwer wiegende Story. Eine international verwertbare Story. Wir können sie zusammen machen, du und ich. Du …«, er zog sie an sich. »Und ich.«
Und ein Teil von ihr wollte sich an ihn lehnen, wollte mit ihm verschmelzen, wollte mehr als alles andere auf der Welt, dass es ein Du und ein Ich gäbe. Und zwar sofort. Sei ne Hand brannte, ihr Blut war umgelenkt worden.
Aber ihr anderer Teil trug den Sieg davon. Sie riss ihre Hand zurück und schrie:
»Hast du den Verstand verloren und dich unberechtigt in meinen Computer eingeloggt? Hast du meine privaten Dateien gelesen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich habe mich nicht unberechtigt eingeloggt. Du hast mich eingeladen. Du hast mir den Computer geliehen. Ver giss das ja nicht, Mariam.«
Er fuhr mit dem Stuhl herum, bis sie sich von Ange sicht zu Angesicht gegenüberstanden, und für einen Mo ment hatte sie das Gefühl, den Fernsehmoderator auf ih rem Schreibtischstuhl sitzen zu sehen. Er sprach gelassen und ernst weiter, den Blick in eine Kamera gerichtet, die nur er sehen konnte.
»Ich will eine Sendung über das alles machen. Ich will Professor Paterson als korrupten Lügner entlarven. Ich schi cke einen Kollegen aus den USA mit versteckter Kamera und verborgenem Mikrofon zu Paterson. Ich lasse ihn auf nehmen, wenn er erzählt, was er für eine Untersuchung berechnet. Das wird die Reportage meines Lebens. Alle Welt interessiert sich für die neue westliche Ausbeutung Afrikas - die intellektuelle. Ich werde den Menschen Ge sprächsstoff liefern - der ganzen Welt.«
Mariam kämpfte gegen den Impuls, ihn mit einem Kuss zum Schweigen zu bringen. Denn das hier konnte ja wohl nicht sein Ernst sein?
Offenbar doch, denn nun sagte er:
»Mariam, du bekommst zweihundertfünfzig Birr, was un gefähr dreißig US Dollar ausmacht, für die Beurteilung ei nes Bildes von Paterson. Dann schreibt er seinen Namen unter die Beurteilung und kassiert vom Patienten tausend Dollar. Eigentlich müsstest du für jede Beurteilung fünf hundert Dollar oder über dreitausend Birr bekommen. Du hast die ganze Arbeit, erhältst aber nicht einmal ein Zehn tel von dem, was er berechnet, ist das gerecht?«
Nicht möglich. Wie konnte er das alles wissen? Jetzt wurde Mariam von Angst gepackt. Sie versuchte, aus ihrer plötzlichen Unterlegenheit heraus zu kontern.
»Ich will nicht, dass jemand hinter mir herspioniert. Du musst doch begreifen, dass meine Privatangelegenheiten dich nichts angehen.«
Er seufzte, als sei sie begriffsstutzig.
»Ich bin Journalist.«
»Das bedeutet ja wohl nicht, dass du bei anderen einbre chen und ihre privaten Unterlagen lesen darfst.«
Er sprach mit derselben geduldigen, pädagogischen Stim me weiter.
»Wir können in dieser Sache zusammenarbeiten. Das wäre für uns beide von Vorteil. Ich drehe die Reportage meines Lebens, wir beide tragen dazu bei, diese schmutzi gen Geschäfte ans Licht zu bringen. Ich kann eine Reporta ge machen, die niemand je wieder vergessen wird.«
Sein Blick verlor sich in der Ferne.
»Ich will zeigen, wie du abends hier sitzt und dich mit Patersons Bildern abmühst. Ich werde zeigen, wie du da rum kämpfst, moderne Geräte zu bekommen. Wie Pater sons reiche Patienten seine Villa und seinen Swimming pool und seine vier Autos finanzieren, während du, die die Arbeit leistet, mit Brotkrümeln abgespeist wirst. Das wird stark werden, du bist doch so schön … das wird eine inter national preisgekrönte Reportage werden.«
Mariam blieb in bedrohlichen Situationen fast immer ruhig. Diese Ruhe überkam sie auch jetzt. Sie antwortete gelassen:
»Zweifellos, Salomon. Aber ohne mich. Und jetzt geh bit te. Wenn du nicht gehst, dann rufe ich um Hilfe.«
Er schien nicht glauben zu können, was er da gehört hat te, und er erwiderte nachdenklich:
»Dann bist du also feige, genau wie alle anderen Arsch kriecher, die
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