Wofuer es sich zu sterben lohnt
Gesicht zu, und jetzt war es plötzlich zum Leben erwacht - erfüllt von Fürsorge und Licht. Wie das eines Heiligen, dachte sie.
»Ich liebe dich auch«, sagte er.
Und in diesem Moment war alles in Ordnung - im Wa gen, in Addis Abeba, in Äthiopien, in Afrika, auf der Erde, im Universum.
Trotz Salomon.
Trotz Krieg und Hunger und Seuchen.
Der kurze Moment des Friedens nahm ein jähes Ende, als sie die Einfahrt des Hotels erreichten, und der Wächter höflich bat, einen Blick ins Handschuhfach werfen zu dür fen (das einfachste Versteck für eine Waffe, die zugänglich sein soll, aber nicht zu sehen). Theo öffnete seine Tür, und feuchte Luft schlug ihnen entgegen wie ein Atemhauch. Als der Wächter CDs und Papiertaschentücher und Kaugum mi durchgesehen hatte, winkte er sie durch und salutierte - vielleicht aus Jux, das war schwer zu sagen.
Der Regen hatte ebenso plötzlich aufgehört, wie er ange fangen hatte, und sauber gewaschene Luft, starke Gerüche und große rotbraune Pfützen auf Rasenflächen und Park platz hinterlassen.
Theo sprang aus dem Wagen und lief über den regen blanken Asphalt. Er winkte ihr über seine Schulter zu.
»Wir sehen uns drinnen.«
Mariam schaute hinter ihm her. Von hinten hätte er je der beliebige Junge sein können in seinen Designerjeans, seinem weiten, langärmligen Pullover, seinen teuren Nike Schuhen. Es war nur gut, dass er schon vorging, damit sie sich sammeln und konzentrieren konnte.
Salomon befand sich im Hotel, überzeugt, dass sie sich seinem Willen beugen werde.
Das Herz, das eben noch einen Sprung gemacht hatte, weil sie Theo so nahe gewesen war, verkrampfte sich jetzt vor Angst und Widerwillen, es zog sich zu einem kleinen, harten Schmerz im Brustkasten zusammen.
Schade, dachte sie, dass Salomon zielstrebig und eitel zu gleich war. Schade, dass er nicht begriffen hatte, wie ziel strebig auch sie war. Dann hätte er ihr niemals diesen belei digenden Vorschlag gemacht. Was bildete er sich eigentlich ein? Professor GebreSelassie, von einem schönen, ambitio nierten Journalisten aus der modernen Sklaverei befreit?
Idiot!
In der Auffahrt standen die Autos Schlange, um ihre In sassen vor dem Hoteleingang abzusetzen. Von oben schütz te ein Dach vor Regen und Sonne, und in den Blumen beeten auf beiden Seiten versuchten die Gewächse, die ho hen Ambitionen des Hotels zu erfüllen. Ein Portier in einer prachtvollen rotgrünen Uniform, die glitzerte, wenn er sich bewegte, empfing mit derselben zuvorkommenden Ver neigung Diplomaten in eleganten Anzügen und verstaub te Abenteuerurlauber in schmutzigen Khakishorts. Er diri gierte seinen kleinen Stab aus Hotelboys, die Gepäckkarren hin und her fuhren, und seine breite Hand schloss sich dis kret um die in sie hineingedrückten Banknoten.
Mariam blieb unter den kommenden und gehenden Gäs ten stehen. Sie musste sich sammeln
Wer hätte geglaubt, dass etwas so Banales wie ein kleiner Flirt mit einem feschen Journalisten solch katastrophale Folgen haben könnte, dachte sie und registrierte sofort, wie dumm das klang. Fesche Journalisten waren vermutlich so ungefähr das Gefährlichste, was einer Frau über den Weg laufen konnte, und sie war voll in die Falle getappt.
Aber was geschehen war, war geschehen. Jetzt musste sie nach vorne denken. Sie sog die feuchte Luft ein, um aus Sauerstoff und Düften Kraft zu holen.
Ihre geräumige Tasche war schwer beladen wie gewöhn lich, und die Riemen schnitten in ihre Schulter ein. Als ein hoch beladener Gepäckkarren vorüberrollte, legte sie die Tasche dazu. Sie reckte sich. Nach einer kurzen Weile spa zierte sie langsam zum Eingang, legte ihre kleine Handta sche auf das Band vor dem Durchleuchtungsapparat und ging mit einem freundlichen Lächeln Richtung Sicherheits personal durch den Metalldetektor.
Im Hotelfoyer hatte die Generalprobe schon begonnen. Mitten im Raum war eine Bühne aufgebaut. Sie war etwa einen halben Meter hoch und umgeben von kilometer langen Leitungen, die sich zwischen Steckdosen, Lampen, Mikrofonen, Kameras und Verstärkern hindurchschlängel ten. Oben thronte Salomon in einem eleganten hellgrau en Anzug und einem grau und rosa gestreiften Hemd. Er lächelte und winkte, als er sie entdeckte.
Idiot.
Mariam lächelte und winkte zurück. Sie holte ihre Tasche, die mit dem übrigen Gepäck bei der Rezeption abgeladen worden war, wo gerade eine Reisegruppe eincheckte.
Sie sah sich um. Das Foyer war dekoriert mit Plakaten und Fotos der zehn Bewerberinnen um
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