Wofür schlägt dein Herz?
atemlos.
„Nein, aber es hätte leicht dazu kommen können“, presste er nach einer Pause hervor. „Er hat meine Schwester ausgepeitscht, als er sie bei einem heimlichen Ausflug ins Dorf erwischte.“
„Annabelle?“
Alex nickte schwer und dachte an seine wunderschöne, blutjunge Schwester, die sich wenigstens einmal wie die anderen Mädchen ihres Alters in der Dorfdisco vergnügen wollte. Im verwegenen Mini und mit zu viel Make-up wirkte sie viel älter als knapp fünfzehn, war aber absolut naiv und unschuldig. Bis ihr Vater an jenem grauenhaften Abend diese kindliche Unschuld für immer zerstörte …
„William war tagsüber ausgeritten und hatte schwer getrunken. Als sie das Haus betrat, erwartete er sie bereits mit seiner Reitpeitsche und schlug sie halb tot.“
„Oh Gott! Das arme Mädchen!“
Als Alex in ihr entsetztes Gesicht sah, dachte er, dass sie von ihm genauso angewidert sein müsste wie vor seinem brutalen Erzeuger. Denn von allen Geschwistern hatte er Annabelle am nächsten gestanden und hatte ihr doch nicht geholfen. Wäre Jacob nicht überraschend nach Hause gekommen …
„Jacob versuchte, sie zu beschützen, und stieß William zur Seite“, fuhr er tonlos fort. „Mein Vater stürzte, fiel auf eine Treppenstufe und war auf der Stelle tot.“
„Aber das war doch Notwehr.“
„Das Gericht sprach Jacob von jeglicher Tötungsabsicht frei, aber er konnte sich wohl selbst nicht vergeben, was geschehen war. Irgendwann ging er einfach weg.“
Libby schluckte heftig. „Du und Annabelle … habt ihr irgendwann über den schrecklichen Abend gesprochen?“
Ihre Frage brachte ihn völlig aus dem Gleichgewicht. „Warum sollten wir?“, fragte er fast feindselig.
Sie blinzelte ein paar Mal, dann blieb sie stehen und schaute ihm fest in die Augen. „Ist da noch etwas, Alex? Etwas, über das du nicht reden kannst oder willst?“
Sein Herz fühlte sich zentnerschwer an. Er hatte genug gesagt. Nach jenem Abend war seine Schwester nicht mehr dieselbe. Wie hätte er mit ihr über derart grausame Dinge sprechen können?
„Alex?“
Angespannt schaute er zur Seite und sah am Strand eine Gruppe junger Frauen auf einer Picknickdecke sitzen. Eine von ihnen hielt eine Zeitschrift in der Hand, sagte etwas und wies mit dem Kinn in seine Richtung. Daraufhin wandten sich auch alle anderen Köpfe um. Wie es aussah, war er auf die Sportseiten oder in die Klatschspalten der Presse zurückgekehrt. Doch seltsamerweise interessierte es ihn kein bisschen.
Trotzdem verspürte er plötzlich den Drang auszubrechen. Irgendwohin, wo es nur Sonne und Leichtigkeit gab. Mit jemandem an seiner Seite, der …
Ein schneller Blick auf Libby ließ sein Herz höher schlagen.
Er räusperte sich. „Was würdest du davon halten, ein Weilchen von hier zu verschwinden?“
Etwas unsicher schaute Libby zum Strand und dann wieder zu Alex. „Du meinst von der Straße?“
„Ich meine raus aus Sydney.“
Schlug Alex wirklich vor, einfach wegzufahren? Dem Großstadtrummel zu entfliehen? Nur sie beide? Nach dem ersten Schock hätte sie am liebsten in die Hände geklatscht und gefragt. „Wann? Jetzt sofort?“
Genau in diesem Moment schob sich eine Wolke vor die Sonne, und Libby landete wieder in der Realität. Während sie an ihrer Unterlippe kaute und nach einer Antwort suchte, hob Alex misstrauisch die Brauen.
„Wie ich sehe, läufst du nicht gleich nach Hause, um zu packen.“
„Was ist, wenn man dich erkennt und …“ Libby schlug die Hand vor den Mund. Das war wohl kaum eine souveräne Reaktion, um das eigene Gesicht zu wahren!
Alex lachte leise. „Und versteckte Paparazzi ein anzügliches Foto von uns schießen, meinst du? Das werden wir überleben.“
Er würde es in jedem Fall überleben! Aber was war mit ihr?
„Ich habe es in meiner Praxis mit hochrangigen Klienten zu tun“, erwiderte sie steif. „Ein derartiges Bild würde meiner Reputation und Karriere schaden.“
„Wir könnten riesige Sonnenbrillen und angeklebte Schnurrbärte tragen“, schlug er todernst vor und musste selbst darüber lachen. Libby nicht. „Na gut“, lenkte er seufzend ein. „Ich verstehe ja, was du sagen willst.“
Jetzt seufzte auch Libby bedauernd. War es denn wirklich so schlimm, wenn ein Mädchen nach einer heißen Nacht den unbezwingbaren Wunsch verspürte, einfach mit dem Traumprinzen ins Märchenland zu entfliehen?
„Ach was soll’s!“, platzte es aus ihr heraus, „lass uns einfach abhauen.“
Alex riss die Augen
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