Wofür schlägt dein Herz?
hatte sie das verflixte Ding einfach in ein Kuvert gesteckt und es dem treulosen Mistkerl …
„Frühstückst du eigentlich jeden Morgen so?“, fragte Libby amüsiert.
Er zwang sich zu einem Lächeln. „Ich weiß auch nicht warum, aber heute Morgen war ich regelrecht ausgehungert … und das ist ganz allein deine Schuld.“
„Wir haben wirklich kaum Schlaf gefunden“, murmelte Libby mit geröteten Wangen.
„Schlaf wird meiner Meinung nach ohnehin völlig überbewertet.“
„Verstehe. Warum schlafen, wenn man in der Zeit gefährliche Rennen fahren kann?“, lenkte sie ihn geschickt auf ein anderes Thema. „Wie hat das eigentlich alles bei dir angefangen? Du hast erzählt, dass du dir gelegentlich ungefragt die Wagen deines Vaters für wilde Spritztouren ausgeliehen hast.“
Um Zeit zu gewinnen, betupfte Alex seine Lippen mit der Serviette. Sobald es um seinen Vater und seine Vergangenheit ging, war er automatisch auf der Hut. Aber schuldete er Libby nicht mehr Offenheit, nachdem sie ihn in die qualvolle Geschichte ihres Unfalls und der geplatzten Verlobung eingeweiht hatte? Er lehnte sich im Stuhl zurück und räusperte sich umständlich.
„Das erste Mal bin ich mit vierzehn durchgebrannt. Mein Vater …“, erneutes Räuspern, „… William hatte sich mal wieder von seiner übelsten Seite gezeigt, und ich musste fliehen, um meine Haut zu retten. Also schnappte ich mir seinen Lieblingssportwagen und brauste davon. Da habe ich zum ersten Mal gespürt, wie Leben auch sein kann, und wusste, dass ich darauf nie mehr verzichten wollte. Mit offenem Verdeck und dem warmen Wind in Gesicht und Haaren holte ich aus der Karre raus, was ging. Ich hatte kein bisschen Angst, sondern habe nur das berauschende Gefühl von absoluter Freiheit genossen.“
„Und dein Vater hat dich nicht erwischt?“
Der verträumte Ausdruck auf seinem Gesicht schwand, seine Miene wurde hart. „Irgendwann schon. Aber da waren mir die Ausflüge mit seinen Wagen schon längst zur Gewohnheit und einer Art Überlebenstrieb geworden.“
Libby schüttelte den Kopf, sodass ihr Haar als silberblonder Wasserfall über die Stuhllehne fiel. „Du kannst von Glück sagen, dass du dich nicht totgefahren hast. Oder jemand anderen.“
Natürlich hatte sie recht. Zu seinem Glück hatte er damals gerade noch rechtzeitig jemanden kennengelernt, der ihm Respekt beigebracht hatte – vor sich selbst, vor schnellen Wagen und vor anderen Menschen, die er mit seinem Leichtsinn gefährdete. „Falls es dir eine Genugtuung ist, Ende 1991 bin ich vom Internat geflogen.“
„Ach, Alex!“, rief Libby betroffen.
„… und in einer Gang gelandet, der heiße Schlitten noch wichtiger waren als mir. Es folgte eine wilde Zeit voller Partys und illegaler Straßenrennen. Entschieden zu viele Partys …“ Seine Stimme brach ab, und er wirkte plötzlich abwesend.
Liebevoll beugte sie sich vor und legte eine Hand auf seinen Arm. „Ist alles okay mit dir?“
Nur mit Mühe verdrängte er das Bild von Annabelles Gesicht. „Danke, ja.“
„Bist du denn niemals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen?“
„Doch einmal, und da hatte ich verdammtes Glück. Ich traf nämlich auf einen verständnisvollen Polizisten, der mir riet, meine Rennleidenschaft in geordnete Bahnen zu lenken. Er stellte mich einem seiner Freunde vor, einem Automechaniker aus Oxford.“
„Und dieser Mann nahm dich unter seine Fittiche?“
Alex lächelte schwach, als er an die Zeit zurückdachte, als sein Leben zum ersten Mal eine positive Wende genommen hatte. „Carter White wurde mein Coach, fürs Leben und auf der Rennbahn.“
Ihm wurde ganz warm bei dem Gedanken daran, was dieser Mann für ihn getan hatte. „Als ich ihn das erste Mal in seiner eigenen Werkstatt besucht habe, hätte ich mich am liebsten gleich in den ersten Wagen geschwungen und wäre losgeheizt. Doch Carter bestand darauf, dass ich zuerst mein Fachwissen und meine Fahrerqualitäten verbessere. Außerdem musste ich ihm versprechen, meinen Schulabschluss nachzuholen.“
„Wow! War der Mann ein Zauberer oder so etwas?“
„Nein, er interessierte sich einfach für mich, vertraute mir und stand mir in allem zur Seite. Monatelang musste ich an Autos und Motorrädern herumschrauben, bevor ich eines von ihnen bewegen durfte. Zuerst hielt ich es für eine Art Strafe, doch es dauerte nicht lange, bis ich eine tiefe Hochachtung vor der komplizierten Technik empfand, der man sich als Mensch anvertraut und die es zu beherrschen
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