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Woge der Begierde

Woge der Begierde

Titel: Woge der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirlee Busbee
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herumzugehen, aber es bewegte sich mit ihm, Schritt für Schritt.
    Was zum Teufel war das? Woher war es gekommen? Der erste Anflug von Angst erfasste ihn, als er begriff, dass dieses … dieses Ding ihn hier nach oben auf den Wehrgang getrieben hatte. Beunruhigt vergaß er Daphne für den Moment, ging rückwärts und wollte die Treppe nach unten nehmen, aber die wirbelnde Masse folgte ihm mühelos und verhinderte seine Flucht. Schlimmer noch, sie nahm immer neue Formen an, trieb ihn jetzt vor sich her, weg von der Tür und zu der Mauerbrüstung. Er wusste, er war in der
Gegenwart von etwas, was er nicht verstand, und er beobachtete mit wachsendem Entsetzen, wie der Dunstschleier dichter und dunkler wurde.
    Daphne starrte durch den Regen auf Raoul, sah seine verzweifelten Versuche, der gnadenlosen Verfolgung der sich ständig wandelnden Energiewolke zu entkommen. Egal, wie er ihr auszuweichen versuchte, sie folgte ihm, drängte ihn weiter, rückwärts zu der Brüstung des Wehrgangs.
    Das muss Katherine sein, überlegte sie. Katherine, die mich beschützt, mir hilft.
    Sie riss ihren Blick los und rannte halb, halb stolperte sie zur Treppe. Es waren nur noch etwa fünf Schritte, als Charles heraustrat, eine Pistole in der Hand. Mit einem erstickten Schrei lief sie zu ihm und warf sich ihm an die Brust.
    Überrascht legte er seinen freien Arm um sie, hielt mit dem anderen die Pistole und konnte kaum an das Wunder glauben, das sie ihm wiedergegeben hatte. »Daphne!«, rief er mit brechender Stimme, merkte nichts von dem heulenden Wind und dem prasselnden Regen, der betäubenden Kälte, während er ihren schlanken Leib an sich presste. Er hatte die Gefahr nicht vergessen, riskierte aber dennoch einen Blick in ihr blasses, angespanntes Gesicht. »Oh, mein Lieb, ich dachte, ich sehe dich nie wieder.«
    »Du bist gekommen! Ich wusste, das würdest du«, schluchzte sie und klammerte sich an ihn, küsste ihn auf die Wangen, das Kinn und überallhin, wo sie mit ihren Lippen hinkam. »Ich habe ihm gesagt, du würdest kommen und mich retten.«
    Er versteifte sich und schaute sich auf dem sturmumtosten Wehrgang um. Durch den Regen und den Nebel entdeckte er Raoul am Rand der Brüstung. Rasch schob er
Daphne hinter sich, machte einen Schritt nach vorne, aber Daphne legte ihm eine Hand auf den Arm, hielt ihn zurück.
    »Geh nicht«, flüsterte sie. »Geh nicht dorthin.«
    Charles wollte widersprechen, aber dann erkannte er den Grund für die eisige Kälte und den seltsamen Dunstschleier inmitten eines entfesselten Sturmes. »Der Geist?«, fragte er leise.
    Daphne nickte, sie wandte den Blick nicht von Raoul. »Katherine hat mich gerettet. Sie hat Raoul dorthin getrieben.«
    Charles stellte die Erklärung nicht in Frage, drückte sie nur fester an sich und schaute ebenfalls zu seinem Halbbruder.
    Es gab nicht viel zu sehen, da Raouls Körper oft genug von der Wolke vor ihm verdeckt war. Er fuchtelte wild mit den Armen, während er immer wieder auf die wabernde Masse einstach, doch völlig vergebens.
    Über die Entfernung zwischen ihnen sah Charles einen Ausdruck furchtbaren Entsetzens auf den Zügen seines Bruders, als die Masse drohend über ihm aufragte. Raoul machte einen halben Schritt nach hinten und stieß mit der Kniekehle gegen den eingestürzten Rand der Brüstung. Das alte Mauerwerk bröckelte, und mit einem Schrei, den Charles bis an sein Lebensende nicht vergessen würde, verschwand Raoul, stürzte von den Zinnen.
    Charles und Daphne beobachteten gebannt, wie der Nebel, als hätte er erreicht, was er bezweckt hatte, schrumpfte und sich schließlich auflöste.
    Mit grimmiger Miene und mit Daphne an seiner Seite ging Charles zu dem Teil der Brüstung, über die Raoul gefallen war. Er schaute nach unten und sah seinen Bruder
reglos zwischen den Trümmern liegen. Eine Weile starrte Charles auf die verrenkten Glieder dort unten. Er wollte Bedauern empfinden, Reue über den Tod seines Bruders, aber das konnte er nicht. Zu viele Frauen waren durch seine Hand gestorben und wenn es nach Raoul gegangen wäre, hätte er auch Daphne umgebracht. Es ist vorbei, dachte er benommen. Es ist endlich vorbei. Das Ungeheuer ist tot.
     
    Sie hielten Raouls Identität geheim. Für alle mit Ausnahme derer, die um Raouls wahre Natur gewusst hatten, war der arme Mann, der ein so tragisches Ende bei dem Sturz vom alten Wehrgang auf Beaumont Place gefunden hatte, ein Landstreicher. Warum er sich in den Kellergewölben des Gebäudes aufgehalten und

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