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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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von den unheimlichen Himmelserscheinungen beeindrucken lassen. Sie waren weder zu sehen noch zu hören.
    Viviane und Raudaborsti liefen, ohne einmal stehen zu bleiben oder zu rasten. Ihr Atem ging keuchend. Vivianes Gedanken wanderten nach Skollhaugen, zum Fjord, wo sie die Drachenboote so schnell wie möglich wiederzusehen hoffte. Einst hatte sie diesen Anblick gefürchtet, weil sie Angst und Schrecken verbreiteten. Doch nun sehnte sie sich danach, hoffte auf eine glückliche Rückkehr. Alles hatte sich verändert. Vor allem aber hatte sich ihr Verhältnis zu Thoralf verändert. Lange schon hatte sie es gespürt, aber sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Erst in ihren schwersten Stunden war ihr klargeworden, wie sehr sie ihn liebte. Aber keiner wusste, wo sich Thoralf befand. Und Thoralf konnte nicht wissen, was hier auf Skollhaugen inzwischen geschehen war.
    Der Anblick der abgebrannten Burg erschütterte sie, als sie im Morgengrauen den Fjord erreichten. Noch war ihr der Anblick ihres zerstörten Dorfes in Erinnerung, weit weg zwar, doch nicht vergessen. Als sie die traurigen Überreste erblickte, schwarz und verstümmelt wie faulige Zähne, versetzte es ihr einen Stich in den Magen. Sie wollte es sich nicht eingestehen, aber Skollhaugen hatte sie als neue Heimat empfunden. Sie kannte jeden Winkel im Hof, jedes Vorratshaus, jeden Stamm der Palisaden. Jetzt waren davon nur noch verbrannte Stummel übrig, alle Häuser zu dunklen Häufchen verbrannt. Kein Tier belebte den düsteren Ort, nicht einmal die Hunde mit den geringelten Schwänzen waren noch da. Ochsen, Pferde, Schafe und Ziegen, Gänse, Hühner und Jungschweine, nichts von alledem gab es mehr.
    »Komm!« Raudaborsti zog Viviane mit sich. Sie mussten das Tal durchqueren, die Apfelhöhle lag auf der anderen Seite des Fjords.
    Viviane war froh, dass ihre Wanderung endlich ein Ende hatte. Trotzdem fühlte sie sich bang. Schon bald würde sie Astrid gegenüberstehen. Wie würde sie sie aufnehmen?
     
    Die Apfelhöhle lag gut versteckt hinter Tannen, auf unwegsamem Gelände zwischen den Felsen. Im Schnee waren keine Spuren zu sehen. Wahrscheinlich verließen die Bewohner die Höhle nicht, aus Furcht, von Ragnvalds Leuten entdeckt zu werden. Vivianes Schritt verlangsamte sich, während Raudaborsti vorauseilte.
    »Ich hab sie gefunden, ich hab sie gefunden«, jubelte sie. Im nächsten Augenblick gewahrte Viviane eine Bewegung hinter den Bäumen. Wie damals, als Viviane auf Skollhaugen ankam, trat Astrid vor ihr Heim. Aber was war das für ein Heim? Und wie sah Astrid aus?
    Ihr Haar war schlohweiß geworden, tiefe Falten hatten sich in ihr Gesicht gegraben. Ihre einstmals schönen Kleider waren zerrissen und zerschlissen, notdürftig geflickt und nicht gewaschen. Dunkle Flecken zeugten vom Kampf im Moor. Ein Wunder, dass Astrid entkommen konnte. Doch ihre hoheitsvolle Haltung besaß sie noch immer. Viviane blieb stehen. Ein Kloß steckte in ihrem Hals und verhinderte, dass sie sprechen konnte. So standen sie sich gegenüber, schweigend, unsicher, durch die kalte Winterluft getrennt und doch in ihrem Unglück vereint. Astrid streckte Viviane die Hände entgegen.
    »Sei willkommen«, sagte sie leise, und ihre Stimme klang rauh, als schmerzte ihr Hals. »Odin hat es so bestimmt, dass du lebst. Verzeih mir, dass ich nicht daran glauben wollte. Meine Blindheit ist nicht nur mir zum Verhängnis geworden.«
    Viviane schluckte schwer. Astrids Anblick erregte ihr Mitgefühl. Einen Herzschlag lang zögerte sie, dann trat sie auf Astrid zu. Beide Frauen umarmten sich und weinten.
    »Ich bin froh, dass Ihr überlebt habt, Dröttning«, erwiderte Viviane, nachdem sie sich gefasst hatte.
    »Nenn mich nicht Dröttning. Du sollst frei sein, denn deine Treue zu uns hast du sehr teuer bezahlen müssen.«
    Sie trat beiseite, damit Viviane in die Höhle gehen konnte. Es duftete immer noch nach Äpfeln, doch es roch auch nach Rauch und Fisch. Neben dem Eingang brannte ein kleines Feuer. Daneben sah sie eine Gestalt liegen, die sich bei ihrem Eintreten aufrichtete.
    »Yngvar!« Viviane hockte sich erfreut zu ihm nieder.
    Yngvar ergriff ihre Hand. »Viviane! Odin sei gelobt, dass er dich leben ließ. So kann ich dir danken, dass du mein Leben gerettet hast.«
    Sie senkte den Kopf. »Das würde ich immer wieder tun, und für jeden anderen auch. Das Leben ist so kostbar, dass man es nicht wegwerfen darf.«
    Astrid setzte sich zu ihnen. »Du hast ein gutes Herz, Viviane, das weiß ich.

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