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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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essbar und welche giftig waren. Der Gedanke, ein einziger Pilz könnte den ganzen Hofstaat auf Skollhaugen dahinraffen, ließ Viviane erschaudern. Noch vor einiger Zeit hätte sie dieser Gedanke fasziniert. Die Aussicht auf Freiheit erschien ihr damals zu verlockend. Doch jetzt hatte sich alles verändert.
    Es war ihr Verhältnis zu Thoralf. Aus Hass, Abneigung und Rachegelüsten war etwas anderes geworden, das Raudaborsti rundweg Liebe nannte. Doch was wusste die Kleine schon von Liebe?
    Eine feindliche und bedrohliche Natur umgab sie. Unten im Fjord lag das Meer bleigrau und atmete Kälte und Tod aus. Hinter Skollhaugen erhoben sich Berge, Felsen, dazwischen die Felder und Weiden bis hin zum Waldrand. Dieser Wald war dunkel, unheimlich und beängstigend.
    Viviane beneidete Raudaborsti, die scheinbar keine Furcht kannte, zielsicher zwischen den Bäumen hindurch auf die Lichtung zusteuerte. Und sie hatte recht. Auf der Lichtung wuchsen viele Beeren, kleine rote und blaue am Boden, andere in dornigen Hecken am Rand der Lichtung. Sie überwand ihre Beklemmung und bückte sich ebenfalls, um die Beeren einzusammeln. Nur ging sie dabei zielstrebiger vor, blieb an einer Stelle und erntete sie ab, immer wieder einen besorgten Blick in den Wald werfend. Raudaborsti hatte ihr erzählt, dass nicht nur viele wilde Tiere wie Bären, Wölfe, Eulen und Hirsche im Wald hausten, sondern auch Elfen, Trolle, Feen und böse Geister. Durch die Wurzeln der Bäume, aus Höhlen, Mooren und Senken kamen sie aus Utgard, der geheimnisvollen Unterwelt, herauf und ärgerten die Menschen. Mehr als einmal glaubte Viviane seltsame Gestalten zwischen den Bäumen zu sehen, kleine Männchen, verkrüppelt und bemoost. Doch es waren nur knorrige Bäume, Wurzeln und Steine.
    Auch die Geräusche schreckten Viviane. Es wisperte, flüsterte, knackte und knarrte. Hoch oben in den Wipfeln der dunklen Tannen, in den knorrigen Eschen und Ahornbäumen heulte der Wind, zerrte an den Zweigen und wehte die welken Blätter umher. Unwillkürlich fasste sie an ihr Kleid, unter dem sie den Anhänger spürte, den ihr Oleif geschenkt hatte. Thors Hammer! Sie trug einen heidnischen Talisman. Im Augenblick war es ihr egal. Hauptsache, er beschützte sie.
    Raudaborsti hob den Kopf. Ihr Gesicht war bis zu den Ohren mit rotem Beerensaft beschmiert. Als sie grinste, bemerkte Viviane ihre blauen Zähne. »Du isst ja alle Beeren auf«, stellte Viviane nach einem Blick in Raudaborstis fast leeren Korb fest.
    »Na klar, ich kann hungrig nicht arbeiten«, erwiderte sie. »Man muss die Zeit ausnutzen, wenn es frische Beeren gibt. Ich mag sie, aber noch mehr die Äpfel aus Gunnardvigas Obstwald.«
    »Sie hat einen Obstwald? Was ist denn das?«
    »Es ist kein richtiger Wald, nur eben viele Apfelbäume, die auf einer Wiese gepflanzt wurden. Gunnardvigas Vater hat sie früher von einer Fahrt mitgebracht.«
    »Ist der weit weg von hier?«
    Raudaborsti überlegte. »Nicht sehr weit. Warum fragst du?«
    »Ich habe noch nie einen Apfelwald gesehen. Aber ich möchte lieber wieder zurückgehen.« Tatsächlich empfand sie die Welt innerhalb der Palisaden von Skollhaugen als sicher, als Schutz und Heim. Auch wenn Truud sie herumscheuchte und schnell mal eine Ohrfeige austeilte. Trotzdem war Viviane froh gewesen, als Truud sie zum Beerensammeln hinausgeschickt hatte. Es war ganz angenehm, für eine Weile aus ihrer Reichweite zu gelangen. Doch beim Anblick des dunklen und unheimlichen Waldes verließ Viviane der Mut. Nur widerwillig war sie Raudaborsti gefolgt und hatte ihr Herz gespürt, wie es bis zum Hals klopfte.
    Raudaborsti schaute nachdenklich in ihren leeren Korb.
    »Wir könnten zum Apfelwald gehen«, schlug sie vor. »Magst du Äpfel?«
    Viviane nickte.
    »Dann komm! Unterwegs sammeln wir noch Pilze. Truud darf natürlich nicht wissen, dass wir Äpfel stehlen.«
    Ruckartig blieb Viviane stehen. »Stehlen?«
    »Die Äpfel gehören Gunnardviga Eiriksdotter. Sie lässt sie streng bewachen. Eine Sippe bestiehlt keine andere. Das gehört zum Ehrenkodex der Sippen.«
    »Und warum stiehlst du dann die Äpfel?«
    »Weil ich nicht zu Björgolf Einbeins Sippe gehöre. Und ich gehöre auch nicht zu Gunnardvigas Sippe. Ich bin wie ein wildes Tier. Man darf sich nur nicht erwischen lassen.«
    »Wir sollten besser zurückgehen«, wandte Viviane ein.
    »Komm nur. Ich weiß, wie wir ungesehen an die Äpfel kommen. Auf Skollhaugen kenne ich ein Versteck, wo wir die Äpfel lagern können. Nachts gehen

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