Woher, wohin, was ist der Sinn?
Sekunde. Alles andere ist Vergangenheit oder Zukunft. Wenn wir ein Wort ausgesprochen haben, ist es schon Vergangenheit, das nächste Wort liegt in der Zukunft. Die Millisekunde dazwischen ist die Gegenwart. Die Gegenwart ist also eigentlich gar nicht zu fassen, so klein und flüchtig ist sie.
Unser eigenes Zeitgefühl ist ein bisschen anders: Wir können die Gegenwart genießen, zum Beispiel wenn wir ein schönes Spiel mit anderen spielen, auf einer blühenden Wiese liegen und träumen oder eine tolle Wanderung unternehmen. Dann leben wir ganz in der Gegenwart. Das ist schon komisch: Wenn wir gar nicht an die Zeit denken, nicht über sie nachdenken, nur dann ist die Gegenwart da!
Aber auch die Vergangenheit begleitet uns ständig. Sie ist immerzu da: Wir erinnern uns an das, was früher war, gestern, vor ein paar Tagen, vor Jahren. Unsere Vergangenheit macht uns zu dem, was wir in der Gegenwart, also gerade jetzt, sind.
Und die Zukunft? Auch sie beschäftigt uns ständig: Was mache ich nachher? Was mache ich morgen? Am nächsten Wochenende? In den Ferien? Wenn ich einmal groß bin? Wir Menschen leben in der Zeit, das heißt: Wir leben zwischen der Erinnerung an die Vergangenheit, dem Erleben der Gegenwart und der Hoffnung auf die Zukunft.
Die Zeit vergeht
Aber manchmal haben wir auch Angst vor der Zukunft. Denn die Zukunft ist ungewiss. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, was in unserem Leben passieren wird. Werde ich in einigen Jahren (noch) glücklich sein? Werde ich meine Freunde behalten? Werden die Menschen, die ich liebe und gerne mag, noch bei mir sein? Wann wird meine eigene Zeit einmal zu Ende sein? Die Zeit meiner Eltern, Geschwister, Freunde?
Diese Angst, dass »die Zeit abgelaufen ist«, die eigene oder die von anderen, also die Angst vor dem Tod, hat jeder Mensch. Sie ist vielleicht die stärkste Angst in unserem Leben. Gut, dass wir sie oft genug vergessen können. Aber manchmal werden wir an diese Angst erinnert. Vor allem dann, wenn ein Mensch stirbt. Doch es gibt auch viele andere Momente, in denen uns bewusst wird, dass wir sterblich sind, dass unser Leben ein Ende hat. Ein griechischer Schriftsteller mit einem komplizierten Namen, Nikos Kazantzakis, hat einmal gesagt: Bei jedem kleinen Abschied werden wir an den »großen Abschied«, den Tod, erinnert.
Die Zeit von uns Menschen ist begrenzt. Vielen Menschen gibt der Glaube an Gott Mut und Hoffnung, dass mit dem Tod die eigene Zeit nicht einfach vorbei ist, sondern dass Gott »die Zeit in seinen Händen hält«. Gott geht mit uns durch die Zeit, darauf vertrauen gläubige Menschen – und übrigens auch ich, der diese Zeilen schreibt. Gott ist Anfang und Ende unserer Zeit.
Mal »Zeitlupe« machen
Kennst du das Wort »Zeitfenster«? Menschen, die viel zu tun haben, benutzen es häufig. Sie meinen damit einen bestimmten Zeitabschnitt, in dem noch kein Termin in ihrem Kalender steht, ein Zeitabschnitt, der noch frei ist.
Ein »Zeitfenster« haben, das ist, wenn ich darüber nachdenke, ein schönes Wort. Ich stelle mir vor: Wie wäre das, wenn wir durch ein »Zeitfenster« aus der Zeit herausblicken oder in die Zeit hineinschauen könnten. Oder einfach mal aus der Zeit aussteigen!
Sich eine Auszeit nehmen, mal nichts tun, Zeit vertrödeln, Zeit verbummeln. Wir Menschen brauchen solche Zeit, die nicht verplant ist. Ein Zeitfenster ohne Termine. Eine Zeit, in der man die Zeit vergisst. Zeit miteinander verbringt. Zeit füreinander hat. Zeit für sich. Zeit, um ein Fest zu feiern.
»Muße« nannte man solche Zeit früher. Ein großer Philosoph aus dem letzten Jahrhundert, Josef Pieper, sagt sogar: Muße, also
völlig zweckfreie Zeit, ist unbedingt notwendig. Nur so kann der Mensch zu sich selbst finden – und zu Gott.
Ein schönes Geschenk, das man sich gegenseitig zum Geburtstag oder an Weihnachten oder einfach einmal so schenken kann, ist: Zeit. Ich schenke dir einen Tag Zeit mit mir! Oder einen gemeinsamen Kinobesuch, einmal zusammen Pizza essen, einen Stadtbummel machen, ein Eis schlecken, einen Spaziergang zu zweit. Das ist eine erfüllte Zeit, die unser Leben reicher und glücklicher macht. Es ist wichtig, sich ab und zu Zeit zu nehmen.
Das wäre so eine Art »Zeitlupe« im Leben. Wie im Fernsehen: Wenn beim Fußballspiel ein Tor fällt, wird es noch einmal in Zeitlupe
gezeigt. Die Zeit vergeht dann langsamer, man kann genauer hinsehen. Solche »Zeitlupen« brauchen wir auch in unserem Alltag: langsamer machen, nicht so
Weitere Kostenlose Bücher