Wohin der Wind uns trägt
entgegnete Simon ungeduldig. »Warte ein paar Jahre. Und wenn du dann immer noch hierher ziehen willst, brechen wir eben unsere Zelte ab und tun das.«
Wie er ihr bereits erklärt hatte, gab es eine mündliche Vereinbarung mit seiner Bank, dass er für die nächsten drei Jahre an Bord bleiben würde, auch wenn ihm die Aussicht nicht sonderlich gefiel. Sein Onkel wollte ihn zum Vorstandsmitglied aufbauen. Doch es war weniger die Position, die ihn reizte. Nur aus Loyalität gegenüber seinem Vater hatte er sich überzeugen lassen, die Familientradition fortzuführen. Außerdem war es ein sicherer Posten, bei dem er genug verdienen würde, um seinen und Jos Lebensstandard zu sichern. Allerdings war es sicher möglich, in Australien eine ähnliche Stelle zu finden. Kurz geriet seine Entscheidung ins Wanken, aber die Vorstellung, das jüngste Vorstandsmitglied in der Geschichte der Bank zu werden, hatte etwas für sich. Vielleicht würde sich in fünf Jahren ja etwas Attraktiveres ergeben und ein Umzug nach Australien für ihn reizvoller werden.
Jo begann zu zittern. Es war, als stünde plötzlich eine unsichtbare Wand zwischen ihnen, und sie bekam es mit der Angst zu tun.
»Du verlangst von mir, dass ich meine Familie und meinen Beruf aufgebe und mit dir in dein Land ziehe, während du umgekehrt nicht bereit bist, das Gleiche für mich zu tun.«
Wieder begann sie, mit verschränkten Armen auf und ab zu laufen, um gegen die aufkeimende Furcht anzukämpfen.
»Ach, komm schon, Jo. Siehst du nicht, was du dir antust? Du kannst einfach nicht loslassen. Dabei hast du doch bewiesen, dass du in der Lage bist, allein einen Rennstall zu leiten. Und für deinen Vater wird schließlich gesorgt. Wir müssen an unsere eigene Zukunft denken.« Er wollte sie in die Arme nehmen, aber sie stieß ihn wütend weg.
»Was soll das heißen, ich kann nicht loslassen? Was für ein gönnerhafter Unsinn ist das?«, schimpfte sie.
»Ich wollte nicht, dass es gönnerhaft klingt. Ich liebe dich eben so sehr, dass ich schreckliche Angst habe, dich zu verlieren«, rief er niedergeschlagen. Ihm war klar, dass der Verkauf des Rennstalls nicht die herbeigesehnte Lösung brachte.
»Wie kannst du das nur glauben? Habe ich dir nicht wieder und wieder gezeigt, wie sehr ich dich liebe? Aber ich darf Dad nicht im Stich lassen, solange die Situation nicht geklärt ist.« Jo weinte.
Bedrückt steckte Simon die Hände in die Hosentaschen.
»Das weiß ich, und ich verstehe dich.« Plötzlich sah er die lange geleugnete Wahrheit ganz klar und deutlich. »Ich wünschte bei Gott, es wäre anders. Wie gerne wäre ich ein egoistischer Mistkerl und würde von dir verlangen, dass du sie alle zum Teufel schickst: Entscheide dich. Deine Eltern sollen sich selbst um ihre Probleme kümmern. Heirate mich morgen. Wir fliegen zurück nach England, kaufen das alte Pfarrhaus, gründen eine Familie, und ich baue dir hinter dem Haus einen Stall. Aber ich kann nicht, Jo … Ich kann nicht, denn ich weiß, dass es einen Keil zwischen uns treiben würde.« Er hielt inne.
Jo wurde flau im Magen.
»Im Augenblick kannst du mich hier nicht brauchen, mein Liebling«, fügte er leise hinzu.
»Was soll das heißen, dass ich dich nicht brauche? Dir habe ich es zu verdanken, dass ich in diesem ganzen Durcheinander nicht den Verstand verloren habe.«
Sie krallte die Finger in sein Hemd, während sich eine eiskalte Hand um ihr Herz legte. Ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, trat Simon einen Schritt zurück und scharrte mit der Schuhspitze im Staub.
»Ich habe dir zugesehen, Jo, und zwar seit dem ersten Tag, an dem du mir die Kingsford Lodge gezeigt hast. Du wirst mit allem fertig – deinem Vater, deiner Mutter, dem Reitstall, mir und jeder Krise, die sich dir in den Weg stellt. Und außerdem liebst du das Leben, das du führst.« Seine Stimme erstarb. Er streckte die Hände nach ihr aus und ließ sie gleich wieder in einer hilflosen Geste sinken. »Wenn ich dich zwinge, zwischen mir und deinem Vater zu entscheiden, und die Folge davon wäre, dass er stirbt oder dass du die Ställe verlierst, würdest du mir das nie verzeihen. Bis das alles geregelt ist, gibt es keine Lösung für uns. Ich kann dir dabei auch nicht helfen, das musst du ganz allein tun. Etwas anderes bleibt dir nicht übrig. Ich wünschte wirklich, ich würde dich nicht so gut verstehen.«
Jo war leichenblass geworden.
»Sag so etwas nicht, Simon. Natürlich gibt es eine Lösung. Ich liebe dich über alles
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