Wohin der Wind uns trägt
der Wind strich durchs Gras, und die Frühlingssonne schien warm, ohne sie zu verbrennen. Mit einem glücklichen Lächeln schmiegte Jo sich an Simon, der sie mit seinem Hemd zudeckte. Sie schliefen ein.
Zwei Stunden später erwachte Jo und setzte sich erfrischt auf. Liebevoll musterte sie den schlummernden Simon, streckte sich genüsslich und erinnerte sich an die Stunden der Liebe. Ihr Körper pulsierte noch immer. In seinen Armen fühlte sie sich ausgefüllt, begehrt und zufrieden. Vorsichtig machte sie sich los, zog sich an, ging zur Felskante und blickte über das wunderschöne Tal. Die Sonne wärmte ihre Beine, und in der Ferne ballten sich dunkle Wolken zusammen. Möglicherweise würde es heute noch ein Gewitter geben, doch bis dahin war der Nachmittag noch lang.
Simon, der von Jos Bewegung aufgewacht war, blieb mit hinter dem Kopf verschränkten Armen liegen, sah sie an und konnte es kaum fassen, dass er von einem so traumhaft schönen Mädchen geliebt wurde. Rasch schlüpfte er in seine Kleider, trat lautlos hinter sie und schlang die Arme um ihren Körper. Sie roch wundervoll warm und erregend.
»Wie geht es der hinreißenden zukünftigen Mrs Gordon?«, fragte er.
Simons Worte ließen Jo vor Glück zerfließen. Sie drehte sich um, legte ihm die Arme um den Hals und blickte in seine liebevollen grünen Augen. Auf einmal war sie überzeugt, dass ihre Probleme sich von selbst lösen würden.
»Ich bin so unbeschreiblich glücklich«, murmelte sie und schmiegte sich an sein Hemd. »Und ich verhungere. Wir sollten etwas von den Sachen essen, die Gran für uns eingepackt hat.«
Nach dem Mittagessen stiegen sie, immer noch strahlend vor Liebe, wieder in den Sattel und verbrachten den restlichen Nachmittag damit, verschiedene Pfade abzureiten. Nur widerstrebend machten sie sich auf den Heimweg, als die Schatten länger wurden und die Welt golden im Abendlicht glänzte. Der Weg durch den Wald wirkte verwunschen wie im Märchen, und die untergehende Sonne hob die Konturen scharf hervor – Anzeichen eines sich nähernden Unwetters. Die hohen Bäume hoben sich vom feuerroten Himmel ab, und in der Ferne grollte der Donner. Als sie über die offenen Weiden in Richtung Dublin Park ritten, fielen erste Tropfen.
Jo konnte sich nicht so richtig freuen, als in den Ställen trotz ihrer Abwesenheit alles geklappt hatte wie am Schnürchen. Sie war enttäuscht, bis Pete ihr in einer ruhigen Minute anvertraute, sie seien zwar ohne sie zurechtgekommen, aber es habe ihnen etwas gefehlt.
»Es sind deine Kraft und dein Tatendrang, die uns antreiben«, sagte er.
Jo fühlte sich sofort viel besser. Auf dem Rückweg zum Haus – Simon und sie waren beide mit dicken Aktenbündeln beladen, die über das Wochenende durchgeackert werden mussten – erzählte sie ihm von Petes Äußerung.
»Jeder ist ersetzbar. Daran sieht man erst, dass man gute Arbeit geleistet hat«, meinte Simon in schärferem Ton, als er eigentlich beabsichtigt hatte.
Seit der Rückkehr nach Sydney mussten sie in getrennten Zimmern schlafen, und seine Unzufriedenheit war ständig größer geworden. Außerdem ging ihm Bertie zunehmend auf die Nerven, der häufig zu Besuch kam und spitze Bemerkungen fallen ließ, mit denen er meist einen wunden Punkt traf. Simon hatte genug von Australien. Trotz der traumhaften Sonnenuntergänge und der endlosen Landschaft, die Jo ihm gezeigt hatte, wusste er, dass er niemals in ihrer Heimat leben könnte. Es war Zeit für die Abreise, und er wollte Jo mitnehmen.
»Warum lassen wir das mit der Hochzeitsfeier nicht und gehen einfach zum Standesamt? Dann fliegst du mit mir nach Hause. Wir können später feiern«, schlug er vor und hielt Jo, die gerade die Tür öffnen wollte, am Arm fest.
Jo drehte sich lachend zu ihm um.
»Das meinst du doch nicht im Ernst.« Zu ihrem Entsetzen war es aber kein Scherz. »Das könnte ich Mum niemals antun. Sie hat in letzter Zeit so viel durchgemacht, da darf ich ihr nicht auch noch die Hochzeitsfeier verderben. Sie kann es kaum erwarten, ein großes Fest zu planen. Außerdem dachte ich, dass dir das Datum im Dezember recht ist.«
Angesichts seiner verkniffenen Lippen wurde ihr flau.
»Warum sprechen wir nicht mit Mum darüber?«, sagte sie deshalb rasch und drehte den Schlüssel um.
»Hallo, Schatz, wir sind im Wohnzimmer«, rief Nina vergnügt.
Nina und Bertie waren gerade beim Aperitif.
»Hallo, Schwesterherz. Na, immer noch Spaß am frühen Aufstehen, alter Knabe?«, meinte Bertie,
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