Wohin der Wind uns trägt
Autofahrer zu achten. Allerdings war Nina trotz der geschlossenen Scheiben bald mit den Nerven am Ende.
»Blödmann«, schimpfte sie und beschleunigte, als ein Wagen versuchte, sie zu schneiden. Sie fragte sich, ob sie in diesem Tempo jemals zu Hause ankommen würden, und fuhr ein bisschen schneller.
»Du hast doch verstanden, was dein Vater vorhin gesagt hat, Joanna? Mit diesem albernen Quatsch von wegen Arbeiten auf der Rennbahn ist für dich endgültig Schluss.«
Schlaftrunken murmelte Jo eine Antwort.
»Jo! Hör mir zu, wenn ich mit dir rede. Auch wenn dein Vater das vorhin witzig gemeint hat, ist es mir ernst. Ein Glück, dass dein gutes Aussehen bei diesem Unfall nicht gelitten hat. Modelagenturen nehmen nämlich nicht einfach jede.«
Gereizt setzte sie den Blinker, um von der Hauptstraße abzubiegen, musste aber feststellen, dass der Verkehr umgeleitet wurde.
»Eine geplatzte Wasserleitung. Das hat mir gerade noch gefehlt«, rief sie, klopfte mit den Fingernägeln aufs Lenkrad und machte ihrer Ungeduld mit unablässigem Geplapper Luft. »Und auch wenn dein Vater das anders sieht, weiß ich genau, dass du von dieser genähten Wunde für den Rest deines Lebens eine Narbe zurückbehalten wirst. Zum Glück habe ich gute Beziehungen. Nein, mein Kind, ab sofort wirst du dich auf den Ponyclub und aufs Dressurreiten beschränken, wenn du von Pferden nicht die Finger lassen kannst. Du wirst dich endlich benehmen wie eine Dame.«
»Ja, Mum«, erwiderte Jo und wünschte, ihre Mutter würde endlich den Mund halten.
Das aufmerksame Zuhören verschlimmerte ihre Kopfschmerzen, und sie hatte nicht die Kraft, sich zu streiten. Stattdessen beobachtete sie, wie die weißen Schäfchenwolken über den kobaltblauen Himmel zogen. Als der Verkehr auf der anderen Fahrbahn ebenfalls ins Stocken geriet, nahm Nina ihre Tirade wieder auf.
»Ach, Mum, lass sie in Ruhe«, sagte Rick. »Schließlich war es nicht ihre Schuld, dass das Pferd durchgegangen ist.«
»Rick, du hältst dich da raus. Immerhin hast du den Unfall verursacht«, fuhr sie ihn an. »Wenn du besser aufgepasst hättest, wärst du nicht vom Pferd gefallen, und diese ganzen Scherereien wären uns erspart geblieben.«
»Oh, Mum, das ist nicht fair«, sprang Jo sofort für ihren Bruder in die Bresche. »Ricks Pferd war sehr schwierig, und er hat sich wacker geschlagen.«
»Ihr müsstet euch beide reden hören. Wenn das Pferd schwierig war, hätte er es nicht reiten dürfen. Euer Vater hat keinen Funken Verstand. Wie oft habe ich ihm schon gepredigt, ich möchte nicht, dass ihr euch in der Nähe der Pferde herumtreibt, und das gilt auch für dich, Rick. Ich habe genug von diesem Unsinn. Bertie ist der einzige Vernünftige von euch.«
Unvermittelt trat Nina auf die Bremse und wäre fast auf den Wagen vor ihr aufgefahren.
»Hoppla! Entschuldigt bitte.«
Oh nein, was für ein Schlamassel. Wie waren sie nur wieder auf der Anzac Parade in nördlicher Richtung gelandet? Und wo kam plötzlich der viele Verkehr her? Eigentlich hätte die Heimfahrt nicht länger als zehn Minuten dauern sollen.
»Wenn du schon so neunmalklug bist, Rick, könntest du mir auch verraten, wie wir nach Hause kommen.« Die Autos fuhren nun wieder mit normaler Geschwindigkeit. »Rick! Antworte, wenn ich mit dir spreche, und hör mit dem albernen Gegrunze auf!«
Im nächsten Moment hatte die Panik Nina und Jo fest im Griff. Während Nina rasch in den Rückspiegel blickte, drehte Jo sich ruckartig in ihrem Sitz um. Ihr Puls raste vor Angst, und wegen der plötzlichen Bewegung schoss ihr ein scharfer Schmerz durch die Schulter. Rick lehnte leichenblass und zusammengesackt am Fenster. Ohne auf ihre eigenen Schmerzen zu achten, kletterte Jo auf den Rücksitz und rüttelte Rick heftig am Knie.
»Rick! Wach auf und rede mit mir!« Aber Rick reagierte nicht. Jo schüttelte ihn erneut, wieder vergebens. Sein Atem ging unregelmäßig und stoßweise.
»Mum! Mum! Halt an!«, schrie Jo. »Mit Rick stimmt etwas nicht. Er muss zurück ins Krankenhaus.« Sie zitterte am ganzen Leib und war völlig ratlos.
»Ich kann nirgendwo anhalten«, rief Nina. Sie war mitten im Wechsel auf die Überholspur und wagte nicht, den Blick von der Straße abzuwenden.
»Rick, bitte, antworte mir! Mach die Augen auf«, flehte Jo und schüttelte ihn weiter. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Ricks Augen blieben geschlossen, und er machte beim Atmen beängstigend gurgelnde Geräusche.
»Mum! Du musst umkehren. Fahr rüber auf die
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