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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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Kleinkind?«
    »Wir wollen uns erst vergewissern, dass Sie wieder auf dem Damm sind«, gab der Arzt ruhig zurück. »Können Sie das spüren?«
    Er fuhr mit dem Daumennagel die Außenseite von Jos Fuß entlang, sodass dieser ruckartig zurückfuhr.
    »Autsch! Wo ist Rick? Wird er wieder reiten können? Mein Pferd ist gestürzt …« Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken, und zu ihrem Ärger wurden ihr die Augen feucht, als sie den Unfall noch einmal Revue passieren ließ. Rick konnte doch unmöglich unverletzt geblieben sein!
    »Tut mir leid.« Der Arzt wiederholte die Prozedur an Jos anderem Fuß. »Ihr Bruder ist schwer gestürzt und wird noch eine Weile Schmerzen beim Atmen haben, aber ich würde sagen, er ist über den Berg. Vorhin hat er sich sogar im Bett aufgesetzt und etwas zu essen verlangt«, fuhr er fort, während er die übrigen Reflexe überprüfte. »Ich weiß nicht, welcher Schutzengel ihm beigestanden hat, aber er hatte wirklich großes Glück. Vielleicht liegt es daran, dass er eine Schwester hat wie Sie, die sich Sorgen um ihn macht.« Als er Jo schmunzelnd den Puls fühlte, erwiderte diese das Lächeln. »Wir geben Ihnen etwas gegen die Kopfschmerzen.«
    »Mein Genick fühlt sich auch ziemlich komisch an«, sagte Jo.
    »Sie haben einen recht heftigen Schlag abgekriegt, und es wird eine Weile wehtun. Aber Sie sind jung und gut in Form. Wie alt sind Sie denn?«
    »Sechzehn.«
    Er nickte dem Pfleger zu, der noch immer am Fußende des Bettes wartete. Der Miene des Arztes war nichts zu entnehmen. An der Aufmerksamkeit des Mädchens gab es zwar nichts auszusetzen, doch die Schmerzen in Kopf und Nacken gefielen ihm gar nicht.
    »Geben Sie ihr ein paar Schmerztabletten. Ich werde mir die Röntgenbilder noch einmal ansehen.«
    Nachdem der Pfleger dem Arzt den großen ockergelben Umschlag gereicht hatte, verschwand er durch die Vorhänge.
    »Nein. Sieht alles prima aus«, stellte der Arzt fest, während er die Röntgenaufnahmen betrachtete. »Ruhen Sie sich einfach aus. Wir schauen in einer Stunde wieder nach Ihnen.«
    Er legte den Umschlag aufs Fußende des Bettes und ging. In diesem Moment stürmte Nina, dicht gefolgt von Charlie, durch die Vorhänge.
    »Oh, Joanna, mein liebes Kind«, rief sie und stürzte auf das Bett zu. »Vorhin hast du noch geschlafen, und Daddy wollte dich nicht stören.« Sie machte Anstalten ihre Tochter an sich zu drücken, hielt aber inne, als sie sah, dass Jo den Arm in der Schlinge trug. Beim Anblick der hässlichen Beule auf Jos Stirn und der schwarzen Fäden, die sich deutlich von der mit bräunlichem Desinfektionsmittel eingepinselten Haut abhoben, traten ihr die Tränen in die Augen.
    »Dein Gesicht, mein Kind! Ach, um Himmels willen! Das ist ja noch viel schlimmer, als Dad gesagt hat. Oh, du armes, armes Lämmchen.« Sie beugte sich vor und hauchte rasch einen Kuss in die Luft, dicht über Jos linker Wange. Dann drehte sie sich zu Charlie um und presste sich ihr Taschentuch an die zitternde Unterlippe. »Charlie, bist du sicher, dass keine Narbe zurückbleiben wird?«
    »Was redest du da, Frau? Es ist doch nur ein Kratzerchen«, erwiderte Charlie fröhlich, da er erkannte, welche Wirkung Ninas Bemerkung auf Jo hatte. Also grinste er seiner Tochter zu und drückte ihre heile Hand. Er war nicht nur froh, dass Jo wieder bei Bewusstsein war, sondern auch erleichtert, denn die Röntgenaufnahmen waren bei beiden Geschwistern ohne Befund gewesen. Jo lächelte ihren Vater zögernd an.
    »Aber eins sage ich dir: Heute war dein letzter Tag auf der Rennbahn. Du hast uns beiden einen ordentlichen Schrecken eingejagt«, fügte Charlie in gespielter Strenge hinzu.
    Jos Miene verdüsterte sich.
    »Das meinst du doch nicht ernst, Dad?« Ihre violetten Augen leuchteten aus dem blassen ovalen Gesicht. Ängstlich sah sie ihren Vater an.
    »Nun, warten wir einfach ab«, erwiderte er, plötzlich ernüchtert.
    Er hatte nicht so endgültig klingen wollen. Schließlich wusste jeder, dass es nach einem Sturz das Beste war, den Betroffenen so bald wie möglich wieder auf ein Pferd zu setzen. Doch Charlie, der an diesem Tag beinahe seine beiden Kinder verloren hatte, war sich nicht mehr so sicher. Außerdem traute er dem Frieden noch nicht ganz: Die Zwillinge machten inzwischen zwar wieder einen recht fidelen Eindruck, aber der Arzt wollte sie noch eine Weile weiter beobachten, um auf Nummer sicher zu gehen.
    »Dad, ist Rick wirklich in Ordnung?«, fragte Jo, die die bedrückte Miene ihres

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