Wohin der Wind uns trägt
Vaters bemerkte.
»Bis auf einen Schlüsselbeinbruch, einen Nasenbeinbruch und ein paar angeknackste Rippen ist ihm nichts passiert«, antwortete Charlie und war froh, dass das Thema Bahnarbeit für den Moment abgeschlossen zu sein schien. »Warum sprichst du nicht selbst mit ihm?«, fügte er hinzu und drehte sich um, als Rick durch den Vorhang kam.
Er hatte dunkelviolette Blutergüsse unter den Augen und ein Pflaster auf der Nase. Sein rechter Arm hing – wie der seiner Schwester – in einer Schlinge.
»Simulierst du immer noch, Schwesterherz?«, witzelte Rick, doch der Schmerz in seinen Augen strafte sein freches Grinsen Lügen. »Schließlich war ich derjenige, der die Ärzte und Sanitäter richtig auf Trab gehalten hat.«
Jo drängte die Tränen der Erleichterung zurück und schenkte ihrem Bruder ein schiefes Lächeln.
»Wenigstens hast du dir das Gesicht noch mehr verunstaltet als ich«, gab sie zurück und fühlte sich gleich besser. Wenn Rick bereits wieder in der Lage war, sie zu hänseln, konnte es nicht so schlimm um ihn stehen.
»Was ist mit Bella?«, erkundigte sich Jo mit einem Blick auf ihren Vater.
Charles schwieg zunächst.
»Wir mussten sie leider einschläfern lassen«, antwortete er dann. »Jack hat das erledigt. Es ging ganz schnell.«
Jo spürte einen Stich tief im Herzen.
»Du sollst dir dein Köpfchen nicht mehr über diese grauenhaften Rennpferde zerbrechen, Liebes«, mischte sich Nina ein.
Jo konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Wie konnte ihre Mutter nur so etwas Schreckliches sagen? Rasch wandte sie sich ab. Die arme Bella. Sie war so ein tapferes, kluges Pferd gewesen – geschickt genug, um Rick beim Sturz nicht zu zertrampeln. Jo wischte die Tränen weg, drehte sich um, schob die Decke beiseite, setzte sich auf und schwang die Beine vorsichtig über die Bettkante.
»Was sollen wir noch länger hier herumliegen? Lass uns gehen, Rick«, meinte sie mit leicht zitternder Stimme.
»Ich würde ja gern. Aber dieser Typ da erlaubt es nicht«, erwiderte Rick mit einem Grinsen und wies auf den Krankenpfleger, der hinter ihm erschienen war. Seine fröhliche Antwort hatte die Stimmung ein wenig aufgelockert.
»Ich würde euch am liebsten rausschmeißen, Leute, wenn da nicht die Oberschwester wäre«, entgegnete der Pfleger, reichte Jo zwei weiße Tabletten und zog die Vorhänge zurück. Dann lächelte er Nina und Charlie entschuldigend zu.
»Die beiden können heute am späten Nachmittag entlassen werden. Patienten mit Verdacht auf Kopfverletzungen behalten wir stets vier bis sechs Stunden auf der Station.«
»Wer spricht da von einer Kopfverletzung, Kumpel? Das da ist massives Holz«, protestierte Rick und klopfte sich mit der Faust gegen den Schädel. Im nächsten Moment verzog er das Gesicht. »Trotzdem danke für die Information«, fügte er hinzu und ließ sich schwer auf einen freien Stuhl fallen.
»Keine Ursache«, erwiderte der Pfleger und trollte sich.
Charlie warf einen Blick auf die Uhr: kurz vor eins. Er rieb sich die Hände.
»Nun denn! Wenn man vernachlässigt, dass ihr ausseht wie nach einer ordentlichen Prügelei, scheint alles noch einmal gut gegangen zu sein. Da ihr offenbar schon wieder fähig seid, Unruhe zu stiften, überlasse ich euch am besten eurer Mutter, damit sie euch die Hammelbeine langzieht.«
Die Zwillinge fingen an zu lachen, aber Nina zog die Augenbrauen hoch.
»Nun reg dich nicht gleich wieder auf, Neene. Ich habe schon seit Ewigkeiten eine Verabredung mit einem Burschen, der extra aus Brisbane angereist kommt.«
Nina wollte protestieren, denn der Zwischenfall hatte sie sehr mitgenommen. Außerdem war sie noch immer ziemlich wütend auf Charlie.
»Nein, Mum, uns geht es wirklich prima«, beteuerte Rick rasch, als er bemerkte, dass seine Eltern Blicke wechselten. »Ich fühle mich viel besser, und Jo auch, oder?«
Jo nickte. »Der Arzt sagt, mit meinen Rippen kann ich nichts weiter tun als abwarten. Und eine gebrochene Nase macht mein Gesicht nur interessanter.« Die Schmerzen in der Brust hinderten ihn am Lachen.
Nina gefiel die Vorstellung nicht, allein mit den Zwillingen im Auto nach Hause zu fahren.
»Uns geht es wirklich gut, Mum«, wiederholte Jo.
»Außerdem hat Sam bestimmt kein Frühstück bekommen«, sprach Rick weiter. »Der arme alte Junge fragt sich sicher, wo wir bleiben. Ich nehme an, du hast ihn nicht gefüttert, oder, Mum?«
Der dreizehnjährige Golden Retriever, ein Geschenk zum dritten Geburtstag der
Weitere Kostenlose Bücher