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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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Zwillinge, war schon immer Ricks Hund gewesen. Jeden Morgen lag er, die Schnauze zwischen den Pfoten, an seinem Lieblingsplatz auf den breiten, gefliesten Verandastufen des Hauses in Cogee und beobachtete Rick mit einem seelenvollen Blick aus seinen samtig braunen Augen, wenn die Zwillinge zur Arbeit auf der Rennbahn aufbrachen. Bis zu Ricks Rückkehr konnte nichts Sam von der Veranda weglocken, und wenn sein Herrchen endlich wieder erschien, geriet der Hund vor Freude völlig außer Rand und Band. Wild mit dem Schwanz wedelnd, ließ er sich von Rick tätscheln, und jeden Morgen bestand die erste Handlung des Jungen darin, Sam zu füttern.
    »Du erwartest doch nicht ernsthaft, dass ich nach allem, was euch passiert ist, an den Hund denken würde!«, rief Nina.
    Charlie küsste Jo rasch auf die Wange.
    »Pass auf deine Mutter auf«, flüsterte er und steuerte auf die Tür zu.
    Aber Nina rannte ihm nach.
    »Verdammt, du darfst jetzt nicht einfach gehen, Charlie«, zischte sie und versuchte keuchend, mit seinen langen Schritten mitzuhalten.
    »Doch.« Er ging schneller. »Der Arzt sagt, dass die beiden wieder in Ordnung kommen. Der Stammbaum dieses Pferdes aus Brisbane ist es wert, sich das Tier genauer anzusehen. Insbesondere deshalb, weil ich gerade eine gute Zuchtstute verloren habe.« Auch Charlie atmete schwer. »Ich bin ohnehin schon zu spät dran. Die Oberschwester meint, du kannst die Kinder nach der nächsten Visite des Arztes mitnehmen. Sorge einfach nur dafür, dass sie sich ausruhen. Schließlich hast du Jackie. Wenn dir etwas merkwürdig vorkommt, bring sie auf dem schnellsten Weg wieder ins Krankenhaus. Und für alle Fälle gebe ich dir das hier.«
    Er zog ein Bündel Banknoten aus der Tasche und drückte es Nina in die Hand. Bevor sie etwas erwidern konnte, war die Tür bereits hinter ihm zugefallen.
    Zornig starrte Nina den menschenleeren Flur entlang.
    »Pferde, immer nur die gottverdammten Pferde! Die kommen bei ihm an erster Stelle und das« – sie schwenkte die Geldscheine – »soll alles regeln!«, tobte sie.
    Sie wusste, dass sie ungerecht war, denn schließlich verdiente Charlie mit den Pferden den Lebensunterhalt der Familie. Und Nina liebte das Luxusleben, das sie führten, und wusste, dass er ihr mit dem Geld eine Freude machen wollte. Aber der Unfall hätte nie passieren dürfen!
    Sie stopfte die Geldscheine in die Handtasche und kehrte ins Krankenzimmer zurück.
    »Den Laden siehst du nicht wieder«, sagte Rick, der hinten im Bentley saß, und schnippte mit dem Finger gegen die Karte, auf der die genauen Verhaltensregeln für Patienten mit einer Kopfverletzung standen.
    Der Wagen verließ das Krankenhausgelände und fuhr in Richtung Cogee. Diese vorgedruckten Karten wurden vorschriftsmäßig an alle entlassenen Patienten verteilt, die einen – auch noch so leichten – Schlag auf den Schädel abbekommen hatten. Rick studierte die Hinweise und versuchte dabei, nicht auf seine schmerzenden Rippen zu achten. Kopfschmerzen, Sehstörungen, Brechreiz ... Er warf die Karte auf den Sitz neben den Mantel seiner Mutter und dachte an Sam.
    Jo lehnte sich im Beifahrersitz zurück und genoss die warme Nachmittagssonne, die durch die Autoscheiben strömte.
    »Sam wird sich freuen«, meinte sie, als hätte sie Ricks Gedanken gelesen.
    Die Wirkung des Betäubungsmittels ließ inzwischen nach, und dank der Schmerztabletten taten Kopf und Schulter nicht mehr so weh, aber sie fühlte sich unendlich müde. Außerdem hatte sie wieder dieses merkwürdige Gefühl im Nacken.
    »Ist bei dir dahinten alles in Ordnung, Rick?«, fragte Nina barsch und warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel.
    Sie hatte ihren Schal wieder um den Kopf geschlungen, und ihre Hände umklammerten das Lenkrad. Immer noch war sie Charlie wegen seines abrupten Aufbruchs böse. Außerdem belastete sie plötzlich die Verantwortung, die Zwillinge ganz allein nach Hause zu bringen. Dass Jackie für sie da sein würde, sobald sie durch das schmiedeeiserne Tor fuhren, half ihr im Moment wenig.
    Jos viel zu bleiches Gesicht, die eindringlichen Warnungen der Oberschwester und diese entsetzlichen Karten mit den Verhaltensregeln trugen nicht unbedingt dazu bei, Ninas Befürchtungen zu zerstreuen. Zum ersten Mal im Leben fuhr sie überaus vorsichtig und langsam, ging schon lange vor jeder Ampel vom Gas, um die Zwillinge keiner Erschütterung auszusetzen, und kroch um jede Kurve, ohne auf das Hupkonzert und die Beschimpfungen der anderen ungeduldigen

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