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Wohin die Liebe führt

Titel: Wohin die Liebe führt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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etwas in ihrer steifen, graden Haltung hielt mich zurück. Es war sicher besser, wenn ich sie jetzt nicht anrührte. Nach ein paar Minuten hörte sie auf zu weinen.
    »Warum bist du denn nie gekommen, um mich zu besuchen, Daddy?« fragte sie mit schüchterner Stimme. »Hattest du mich gar nicht mehr lieb?«
    Der Untersuchungsrichter und die Geschworenen hatten ihre Plätze bereits eingenommen, als ich am nächsten Morgen in den kleinen überfüllten Gerichtssaal trat. Nur vom waren noch ein paar für die Zeugen reservierte Sitze frei. Harris Gordon bemerkte mich, als ich hinten im Saal stand, er erhob sich und winkte mir. Ich ging nach vorn. Er wies auf den Platz neben Nora. Jeder andere wäre mir lieber gewesen, aber ich spürte, wie scharf die Reporter uns beobachteten, und setzte mich.
    »Charles sagte mir, daß er dich gestern gesprochen hat. Wie geht es Dani?« fragte mich Nora.
    Ihr Gesicht war blaß. Sie hatte ganz wenig Make-up aufgelegt und war sehr einfach angezogen. »Dani war enttäuscht, daß du nicht kommen konntest«, sagte ich.
    »Ich war selbst enttäuscht! Aber der Arzt wollte nicht, daß ich aus dem Hause ging.«
    »Das habe ich gehört. Geht es dir jetzt besser?«
    Sie nickte. »Etwas besser wenigstens.«
    Ich sah weg, mit einem bitteren Geschmack im Mund, wie früher so oft. Es gab nichts, was Nora wirklich ändern konnte, nichts, was auch nur an sie herankam, nicht einmal jetzt. Was auch geschah - sie hatte immer dieselben kleinen höflichen Redensarten bereit, die kleinen Lügen, die sorgfältigen Umwege um die Wahrheit. Sie war gestern sowenig krank gewesen wie ich selbst. Ein leichter Hammerschlag von dem erhöhten Tisch, hinter dem der Untersuchungsrichter saß. Plötzlich war alles
    still. Der erste Zeuge wurde aufgerufen - der medizinische Sachverständige. Als erfahrener Zeuge berichtete er schnell und sachlich. Bei der Sektion der Leiche von Anthony Riccio habe er festgestellt, daß der Tod durch einen gewaltsam herbeigeführten Riß der großen Aorta eingetreten sei. Verursacht habe den Riß ein scharfes Instrument. Nach seiner Schätzung müsse der Tod auf keinen Fall später als fünfzehn Minuten nach dieser Verletzung erfolgt sein - vermutlich bereits nach viel kürzerer Zeit.
    Der nächste Zeuge war ebenfalls ein Mediziner, der Polizeiarzt. Mit der gleichen Erfahrung wie der andere sagte er aus, daß er vom Polizeipräsidium telefonisch zum Tatort beordert worden sei und den Verstorbenen bereits tot vorgefunden habe. Außer einer oberflächlichen Untersuchung, wie sie zur Ausstellung des Totenscheins erforderlich war, habe er nichts getan und nur noch veranlaßt, daß der Tote ins Leichenschauhaus geschafft wurde. Er trat ab. Der Gerichtsdiener rief den nächsten Zeugen auf: »Doktor Alois Bonner.«
    Ich blickte auf, als sich Dr. Bonner am anderen Ende der Zeugenbank erhob. Es war lange her, seit ich ihn das letztemal gesehen hatte. Er war kaum verändert. Immer noch das schöne graue Haar, immer noch das vornehme und gewichtige Auftreten, das ihm die reichste Praxis in San Francisco eingebracht hatte.
    Er legte den Eid ab und setzte sich in den Zeugenstand.
    »Doktor Bonner«, sagte der Untersuchungsrichter, »erzählen Sie dem Gericht mit Ihren eigenen Worten genau, was sich am letzten Freitagabend ereignet hat.«
    Dr. Bonner wandte sich an die Geschworenen. Seine wie Honig dahinfließende Krankenzimmerstimme rollte klangschön durch den häßlichen Gerichtssaal.
    »Ich verließ gerade meine Sprechstunde, als ein wenig nach acht Uhr das Telefon läutete. Es war Miss Haydens Diener Charles, der mich informierte, es habe ein Unglück gegeben. Ich sollte bitte sofort herüberkommen.
    Da meine Praxis nur einen Block von Miss Haydens Haus entfernt ist, war ich schon fünf Minuten nach dem Anruf dort. Ich wurde unverzüglich in Miss Haydens Atelier geführt, wo ich Mister Riccio auf dem Boden liegend vorfand, den Kopf in Miss Haydens Schoß. Sie hielt ein blutbeflecktes Tuch an seine Seite. Als ich fragte, was geschehen sei, sagte Miss Hayden mir, Mister Riccio sei erstochen worden. Ich kniete neben ihm nieder und nahm das Tuch fort. Es war eine große, häßliche Wunde, die stark blutete. Ich legte das Tuch zurück und fühlte Mister Riccios Puls. Er war schwach und unregelmäßig. Da ich sah, daß er heftige Schmerzen hatte und schnell verfiel, öffnete ich meine Tasche, um ihm eine Morphiumspritze zu geben. Aber bevor ich es tun konnte, war er bereits tot.«
    Er sah den

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