Wohnraum auf Raedern
wollend. »Sie sind Leiter der Abteilung für Literatur?«
»Jawohl.«
Er ging weiter. Scheint ein netter Kerl zu sein. Aber niemand weiß, was er eigentlich bei uns zu suchen hat. Nach bildender Kunst schaut er nicht aus, nach darste l lender auch nicht.
Eine Dichterin kam. Im schwarzen Beret, den Rock seitlich zugeknöpft, in verrutschten Strümpfen. Sie brachte Gedichte.
Ta, ta, tam, tam.
Im Herzen ein Dynamo schlägt.
Ta, ta tam.
Ganz gute Gedichte. Wir werden sie ... ja was ... wir werden sie im Konzert vorlesen. Die Augen der Dicht e rin leuchteten. Eine fesche Person. Nur, warum richtet sie ihre Strümpfe nicht?
5 . Kammerjunker Puschkin
Alles war herrlich. Alles war prima.
Die Katastrophe kam plötzlich. Schuld daran war Puschkin, Alexander Sergejewitsch Puschkin, Friede seiner Asche.
Es kam so: In der Redaktion, unter der Wendeltre p pe, hatte sich eine lokale Dichtergruppe eingenistet. Dazu gehörten ein Jüngling in dunkelblauen Stude n tenhosen, ein uralter Mann, auch mit Dynamo im He r zen, der als Sechzigjähriger begonnen hatte, Gedichte zu schreiben, und noch ein paar andere.
Es verkehrte dort manchmal ein ganz toller Bursche mit Adlernase und einem riesigen Revolver im Gürtel. Er stieß als erster seine tintengetränkte Feder mit Schwung ins Herz derer, die überlebt hatten und nach alter Gewohnheit auf dem sommerlichen Korso flanie r ten. Während die trüben Fluten des Terek rauschten, verfluchte er den Flieder ...
Das war effektvoll!
Dann hielt ein anderer einen Vortrag über Gogol und Dostojewskij und vertilgte beide von der Erdobe r fläche. Über Puschkin äußerte er sich auch negativ, aber nur nebenbei. In einer Juninacht allerdings machte er Puschkin ganz schön fertig. Wegen der weißen Hosen, wegen des »vorwärts blick ich ohne Furcht«, wegen des Kammerjunkerdienstes und des sklavischen Elements überhaupt, wegen »seines Pseudorevoluzzertums und seiner Heuchelei«, wegen seiner unanständigen Gedic h te und weil er Frauen verehrte ...
Der Schweiß rann mir herunter, die Luft war stickig. Ich saß in der ersten Reihe und hörte zu, wie der Vo r tragende Puschkins weiße Hosen zerriß. Dann erfrisc h te er seine ausgetrocknete Kehle mit einem Schluck Wasser und schlug vor, Puschkin auf den Mist zu we r fen. Ich erlaubte mir zu lächeln. Ich gebe es zu. Ich lächelte rätselhaft, hol’s der Teufel. Das genügte.
»Sie wollen widersprechen?«
»Keine Lust!«
»Sie haben keine Zivilcourage.«
»So? Gut, ich werde sprechen!«
Und ich habe gesprochen, Teufel noch mal! Drei Tage und drei Nächte bereitete ich mich vor. Ich saß am offenen Fenster bei der Lampe mit dem roten Schirm. Auf meinen Knien lag das Buch, welches der mit den feurigen Augen geschrieben hatte.
... Falsche Weisheit glimmert und fault
Vor der unsterblichen Sonne der Vernunft ...
Er sagte:
Verleumdungen ertrag mit Gleichmut.
Nein, nicht mit Gleichmut! Nein. Ich werde es ihnen zeigen. Ich werde es zeigen! Ich schüttelte meine Faust gegen die schwarze Nacht.
Ich hab’s ihnen gezeigt! In der Dichtergruppe herrschte Verwirrung. Der Vortragende war k. o. g e schlagen. In den Augen des Publikums las ich den sti l len frommen Wunsch: »Gib’s ihm! Gib’s ihm!«
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Oh, staubige Tage! Oh, schwüle Nächte! ...
Und im Jahre des Herrn 1920 ging von Tiflis eine Erscheinung aus. Ein junger Mann mit dem faltigen Gesicht einer alten Frau, wirr und hysterisch, kam an und stellte sich vor: Randalierer in Poesie. Er brachte ein kleines Buch mit, das wie eine Weinkarte aussah – seine Gedichte.
Maiglöckchen reimte sich bei ihm auf Mistböckchen.
Ich verliere noch den Verstand, das ist sicher.
Dieser junge Mensch haßte mich vom ersten Auge n blick an. Er randaliert in den Zeitungen, vierspaltig. Er schreibt über mich. Und über Puschkin. Sonst über nichts. Puschkin haßt er mehr als mich. Aber was macht das dem! Wo Puschkin ist, sind keine ...
Ich aber werde zertreten wie ein Wurm.
6 . Der Bronzekragen
Tiflis ist wirklich eine verfluchte Stadt.
Jetzt ist noch so einer gekommen! Mit einem Bro n zekragen. Bronze. Und schreibt sofort in einer richtigen Zeitschrift, ohne Witz!!
Mit einem Bronzekragen, verstehen Sie! . . . . . . . . . .
7 . Die Knaben in der Schachtel
Der Mond ist verschleiert. Jurij und ich sitzen auf dem Balkon und betrachten den Sternenhimmel. Aber
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