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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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hineingrinste, ging das Gelächter los. O Gott! Das Publikum dachte, daß nach dem Tschechowschen Humor nun der Puschki n sche Humor käme! Der kalte Schweiß brach mir aus, als ich über »das Nordlicht auf den schneeigen Einöden der russischen Wortkunst« zu sprechen begann ... Im Saal wurde über den Backenbart gekichert, hinter mir stand Nosdrjow, und es war, als flüsterte er mir zu: »Wenn ich dein Vorgesetzter wäre, würde ich dich am ersten Baum aufknüpfen lassen!«
    Ich hielt es nicht mehr aus und begann selbst zu k i chern. Der Erfolg war riesig, phänomenal. Weder vo r her noch nachher habe ich jemals solche Beifallsstürme ausgelöst. Und weiter ging es im Crescendo ... Als in der Inszenierung Salieri Mozart vergiftete, brachte das Publikum sein Vergnügen durch wohlwollendes Lachen zum Ausdruck und brüllte donnernd: »Noch einmal!!!«
    Eiligst verließ ich das Theater durch den Hinterau s gang und sah gerade noch, wie der Randalierer in Po e sie mit seinem Notizblick in Richtung Redaktion lief.
    Ahnte ich es doch! ... Die Zeitung ist angeschlagen, und in der vierten Spalte steht: Wieder Puschkin !
    O Gott! Laß diesen Randalierer sterben! Überall gra s siert doch Typhus. Warum kann nicht er krank werden? Dieser Kretin bringt mich ja noch ins Gefängnis! ...
    O diese verfluchte Vogelscheuche aus der Abteilung für bildende!
    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
    Aus. Alles ist aus! ... Gestern kam das Verbot ...
    ... Ein schrecklicher Herbst ist gekommen. Kalter peitschender Regen. Ich habe keine Ahnung, wovon wir leben werden. Wovon sollen wir leben?! ...
     
     
    10 . Der Fußlappen und die schwarze Maus
     
    Hungrig gehe ich spätabends in der Dunkelheit durch die Pfützen. Alles ist vernagelt. An den Füßen habe ich Reste von Socken und zerrissene Halbschuhe. Der Himmel ist weg. An seiner Stelle hängt ein riesiger Fu ß lappen. Ich bin trunken vor Verzweiflung und murmle vor mich hin: »Alexander Puschkin. Lumen coeli. San c ta rosa. Und wie Donner hallte sein Drohen.«
    Werde ich vielleicht verrückt?! Ein Schatten kommt von der Laterne auf mich zu. Ich weiß: es ist mein Schatten. Aber der Schatten hat einen Zylinder. Ich trage eine Mütze. Meinen Zylinder habe ich vor Hunger auf den Basar getragen. Gute Menschen kauften ihn ...
    Verzweiflung. Über mir ein Fußlappen, im Herzen eine schwarze Maus ...
     
     
    11 . Nicht schlechter als Knut Hamsun
     
    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
     
    12 . Flüchten, flüchten!
     
    »Hunderttausend ... Ich habe hunderttausend! ...«
    Ich habe sie verdient!
    Ein hiesiger Rechtsanwaltsgehilfe hat es mir beig e bracht. Er kam zu mir, als ich schweigend, den Kopf mit beiden Händen aufgestützt, dasaß, und sagte: »Ich habe auch kein Geld. Es gibt nur einen Ausweg – ein Theaterstück schreiben. Aus dem hiesigen Leben. Ein revolutionäres. Dann verkaufen wir es ...«
    Ich blickte ihn stumpf an und sagte: »Über das hies i ge Leben kann ich nichts schreiben, weder etwas Rev o lutionäres noch etwas Konterrevolutionäres. Ich kenne das Milieu nicht. Und überhaupt kann ich nichts schreiben. Ich bin müde und eigne mich offenbar nicht für die Literatur.«
    Er antwortete: »Was Sie sagen, ist Unsinn. Das kommt vom Hunger. Seien Sie ein Mann. Das mit dem Milieu schaffen wir leicht. Ich kenne es durch und durch. Wir werden zusammen schreiben, und das Geld teilen wir.«
    Von diesem Abend an begannen wir zu schreiben. Bei ihm stand ein runder heißer Ofen. Im Zimmer war eine Leine gespannt, und seine Frau hängte Wäsche auf, dann brachte sie uns Kartoffelsalat mit Öl und Tee mit Sacharin. Er nannte mir charakteristische Namen, erzählte von den Gebräuchen, und ich machte die Fabel dazu. Er beteiligte sich auch daran. Später setzte sich noch seine Frau dazu und gab Ratschläge. Dabei übe r zeugte ich mich, daß sie beide über viel größere literar i sche Fähigkeiten verfügten als ich. Aber ich empfand keinen Neid, denn innerlich hatte ich schon beschlo s sen, daß dieses Stück meine letzte literarische Arbeit sein würde ...
    Und so schrieben wir.
    Er rekelte sich beim Ofen und sagte: »Ich liebe schöpferische Arbeit!«
    Ich kratzte mit der Feder ...
    In sieben Tagen war ein Dreiakter fertig. Als ich das Stück bei mir zu Hause überlas, nachts, im ungeheizten Zimmer, begann ich zu weinen – ich schäme mich nicht, es zuzugeben. Das Stück war

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