Wohnraum auf Raedern
außergewöhnlich, ja geradezu erschütternd talentlos. Aus jeder Zeile dieses kollektiven Werks sprach eine dumme Frechheit. Ich traute meinen Augen nicht! Ich bin wahnsinnig, auf etwas zu hoffen, wenn ich so schreibe! Von den feuc h ten grünen Wänden und aus den schwarzen Fenstern starrte mir die Scham entgegen. Ich begann das Man u skript zu zerreißen. Aber dann hörte ich auf. Denn plötzlich wurde mir etwas klar: ich verstand, daß die Leute recht haben, welche sagen – einmal Geschrieb e nes läßt sich nicht mehr vernichten! Zerreißen, verbrennen, vor den Menschen verstecken – das geht. Vor sich selbst aber – niemals! Aus! Nichts zu machen. Diese einmalige Sache ist von mir. Aus!
In der hiesigen Abteilung machte das Stück Furore. Es wurde sofort für 20 0 000 angekauft. Nach zwei W o chen wurde es aufgeführt.
Im Dunst tausendfachen Atems blitzten Dolche, Pa t ronentaschen und Augen. Nachdem im dritten Akt die heldenhaften Reiterscharen gesiegt hatten und den zaristischen Offizier und die Wächter gefangen hielten, riefen Tschetschenen, Kabardiner und Inguschen: »Ha! Gauner! So war’s richtig!«
Und zusammen mit den Fräuleins aus der Abteilung begannen sie den »Autor« hervorzurufen.
Hinter der Bühne gratulierten sie mir und luden mich in ihren Aul.
...Flüchten! Flüchten! Hunderttausend reichen, um von hier wegzukommen. Vorwärts. Zum Meer. Über ein Meer und noch ein Meer, übers Land, durch Fran k reich – nach Paris.
... Der Regen schlug mir ins Gesicht, als ich frierend in meinen dünnen Mantel gehüllt zum letzten Mal durch die Gassen nach Hause lief ...
... Ihr Schriftsteller und Stückeschreiber in Paris und in Berlin, probiert es! Versucht einmal, nur zum Spaß, etwas noch Schlechteres zu schreiben! Ihr mögt so t a lentiert sein wie Kuprin, Bunin oder Gorkij, es wird euch nicht gelingen. Ich habe alle Rekorde geschlagen! Im kollektiven Schreiben. Wir schrieben zu dritt: ich, ein Rechtsanwaltsgehilfe und der Hunger. Zu Beginn des Jahres 1921 ...
13 .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Stadt am Fuß der Berge ist mir verhaßt geworden ... Zichidsiri. Machindschauri. Das Grüne Kap! Die Ma g nolien blühen. Weiße tellergroße Blüten. Bananen. Palmen! Ich schwöre, ich habe es selbst gesehen: Palmen wachsen aus der Erde. Und das Meer schlägt ununte r brochen an die granitenen Felsen. Die Bücher lügen nicht: die Sonne versinkt im Meer. Das Meer ist schön. Die Berge sind hoch. Der Fels fällt steil ab, darauf sind Schlingpflanzen. Tschakwa. Zichidsiri. Das Grüne Kap.
Wohin fahre ich? Das Hemd, das ich trage, ist mein letztes. Die Manschetten sind vollgeschrieben. Mein Herz jedoch ist voll von Hieroglyphen, die mich bedr ü cken. Und nur eines der geheimnisvollen Zeichen habe ich entziffert. Es bedeutet, daß ich unglücklich sein werde. Wer erklärt mir die übrigen?
Ich liege wie tot auf den vom Salzwasser ausgew a schenen kahlen Felsen. Der Hunger hat mich g e schwächt. Vom Morgen bis zum späten Abend schmerzt mich der Kopf. Und nun die Nacht am Meer. Ich sehe es nicht, ich höre nur sein Rauschen. Die Brandung rollt heran und wieder zurück. Eine verspät e te Welle zischt. Und plötzlich taucht hinter dem Kap ein Schiff auf, drei Lichterreihen glänzen.
Die »Polatzkij« hält Kurs aufs Goldene Horn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meine Tränen sind salzig wie das Wasser des Meeres.
Ich sah einen Dichter, er ist wenig bekannt. Er ging über den Nuri-Basar und verkaufte den Hut, den er auf dem Kopf trug. Die einheimischen Burschen lachten ihn aus.
Er lächelte verlegen und erklärte, daß er keinen Witz mache. Er verkaufe den Hut, weil man ihm sein Geld gestohlen habe. Er hat gelogen! Geld hat er schon lange keines mehr. Und seit drei Tagen hat er nichts gegessen ... Später, als wir zusammen ein Pfund Brotfladen aßen, gab er es zu. Er erzählte, daß er von Pensa nach Jalta fahre. Fast hätte ich gelacht. Dann aber fiel mir ein: und ich? ...
Das Faß ist übergelaufen. Heute um zwölf Uhr ist der »neue Leiter« eingetroffen.
Er kam herein und erklärte: »Jetzt machen wir es a n ders! Gogol und Konsorten und ihre Pornographie brauchen wir nicht mehr. Wir machen uns unsere eig e nen Stücke!«
Dann setzte er sich ins Auto und fuhr weg.
Sein Gesicht werde ich nie vergessen.
Eine Stunde später verkaufte ich meinen Mantel auf dem
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