Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
gern ein Gegenangebot machen. Ich will den Fall behalten, und Sie wollen auch, dass ich mich damit befasse. Wie wäre es, wenn wir erst einmal auf Probe zusammenarbeiten? Ich könnte als sachverständige Beraterin für Sie tätig sein.“
Karonski klappte den Mund wieder zu und sah Croft an. Die beiden wirkten ziemlich überrascht. Rule kicherte leise.
„Was halten Sie davon?“, fragte Lily. „Sie müssten das natürlich noch mit meiner Dienststelle abklären. Da würde ich vorschlagen, Sie gehen eine Etage höher. Der Captain wird es wohl kaum genehmigen.“
Ein Lächeln breitete sich in Crofts Gesicht aus. „Ich denke, da lässt sich etwas machen. Und es wird sich nicht nachteilig für Sie auswirken, dass wir Sie haben wollen, obwohl Sie suspendiert sind?“
Karonski stieß seinen Partner an. „Wir sorgen dafür, dass Brooks den Chief anruft. Er hat ziemlichen Einfluss, und er kann fast so gut reden wie du. Wird Zeit, dass er sich mal nützlich macht.“
„Brooks?“, fragte Lily.
„Unser Boss. Er leitet die Einheit.“
Lily verspürte einen Anflug von Panik. Sie wusste nicht das Geringste über diese Einheit, und trotzdem hatte sie gerade zugesagt, für diese Leute zu arbeiten. Nein, korrigierte sie, mit ihnen. Vorübergehend. Aushilfsweise sozusagen.
Rule malte mit dem Daumen kleine Kreise auf ihr Handgelenk. „Es wird immer verwirrender, hm?“, murmelte er. „Ich glaube, ich bin jetzt sachverständiger Berater einer sachverständigen Beraterin.“
Ihr wurde immer wärmer. Seine Nähe war inzwischen nicht mehr beruhigend, sondern nur noch erregend. Sie rückte etwas von ihm ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar – das immer noch nass war, wie sie feststellte. Eigentlich föhnte sie es immer sofort nach dem Duschen.
Aber an diesem Morgen war einfach nichts, wie es sein sollte. „Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Schon als Kind habe ich immer darauf geachtet, nicht über den Rand hinaus zu malen. Und das hier ist so weit drüber …“ Ihre Handtasche, die neben dem großen Sessel stand, fing an zu klingeln; besser gesagt, das Handy darin. Sie blickte irritiert um sich. „Verdammt!“
„Du tust es, weil du einen Mörder fassen willst“, entgegnete Rule leise. „Und die Ränder verschieben sich eben im Laufe der Zeit.“
„Ja.“ Sie sah ihm in die Augen. „So kann man es ausdrücken.“
Ihr Handy hörte nicht auf zu klingeln. „Ich sollte wohl drangehen. Was meinen Sie?“, fragte sie die beiden Agenten. „Nehmen Sie mein Angebot an?“
Croft nickte. „Wir nehmen an.“
„Gut.“ Es war doch gut? Lily holte ihr Handy aus der Tasche und nahm das Gespräch an, ohne auf das Display zu schauen. „Yu hier.“
„Hast du etwas von deiner Großmutter gehört?“, fragte ihre Mutter. „Sie ist verschwunden.“
„Verschwunden?“ Lily erschrak. „Was soll das heißen? Seit wann ist sie verschwunden?“
„Nun, nicht richtig verschwunden. Aber sie ist weg. Li Qin hat gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen, aber in drei Wochen ist die Hochzeit – wie soll ich mir da keine Sorgen machen?“
Lily setzte sich auf die Sessellehne. „Li Qin weiß, wo sie ist?“
„Aber sie sagt es mir nicht. Deine Großmutter hat sie angewiesen, nicht darüber zu sprechen.“ Julia atmete tief durch. „Es ist wohl zu viel verlangt, dass sie ihrer Schwiegertochter Bescheid sagt, wenn sie die Stadt verlässt! Aber warum ist sie überhaupt weggefahren? Das sieht ihr gar nicht ähnlich. Sie verreist doch sonst nie; und einfach so abzuhauen, kurz vor der Hochzeit, ohne ein Wort …“ Sie senkte die Stimme. „Meinst du, sie wird allmählich … na, du weißt schon? Sie ist ziemlich alt.“
Lily schluckte die Hysterie hinunter, die in ihr aufsteigen wollte. „Ich glaube nicht, dass Großmutter senil wird.“
„Das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe mich nur gefragt … ach, lassen wir das. Du hast also nichts von ihr gehört?“
„Ich habe vor ein paar Tagen mit ihr gesprochen“, entgegnete Lily vorsichtig. „Sie sagte etwas davon, dass sie Kontakt mit einem alten Freund aufnehmen wollte. Ich dachte natürlich, per Telefon, aber vielleicht hatte sie tatsächlich vor, ihn zu besuchen.“ Um den Gefallen einzufordern, den er ihr schuldete.
Ihre Mutter schimpfte noch eine Weile über das merkwürdige Verhalten der Großmutter, aber Lily hörte gar nicht mehr richtig zu. Irgendwann musste sie ihrer Familie sagen, dass sie suspendiert war. Gott, wie sie es hasste! Sie konnte sich genau
Weitere Kostenlose Bücher