Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
sich zuerst einiges von ihm anhören musste, weil sie „auf die dunkle Seite übergelaufen“ war. Anscheinend wusste bereits die ganze Dienststelle, dass sie beim Captain in Ungnade gefallen war und mit dem FBI zusammenarbeitete. Cops waren furchtbare Klatschmäuler.
O’Brien versprach, ihr seinen Bericht zu faxen. Sie gab ihm Rules Faxnummer, beendete das Gespräch und ging in Rules Arbeitszimmer, um auf das Fax zu warten. Das kleine Zimmer war genauso unordentlich wie der große Wohnraum, und sie musste unwillkürlich grinsen.
Nach Max’ Theorie musste der Mörder, wenn Therese von einem Telepathen und nicht von einem Zauberer getötet worden war, am Tatort gewesen sein – in Sichtweite, hatte Max gesagt. Da er die magische Energie nicht mit einem Zauber lenken konnte, hatte der Mörder Sichtkontakt zu seinem Opfer gebraucht. Er hätte beispielsweise in der Tür stehen und Therese von dort aus aufschlitzen können, ohne selbst Blutspritzer abzubekommen.
Lily hoffte, etwas zu finden, das diese Theorie stützte, um auszuschließen, dass sie es mit einem irren Telepathen und einem skrupellosen Zauberer zu tun hatten. Cullen Seabourne ging ihr nicht aus dem Kopf. Es war gut möglich, dass man an seinem Verstand herumgepfuscht hatte. Schließlich hatte er Rule in seiner merkwürdigen Nachricht angewiesen, ihm nicht zu glauben.
Aber nichts, was in O’Briens Bericht stand, brachte sie weiter. Sie hatte ihn zwei Mal durchgelesen, als Rules Leute eintrafen: zwei muskulöse junge Männer – auch der Rothaarige war wieder dabei, den Lily bereits kannte; Walker, ein älterer Mann mit wachsamem Blick, und Rules Assistentin Crystal, eine kleine, stämmige Frau um die sechzig, die mit ihrem markanten, breiten Kinn, dem kantigen Schädel und den wulstigen Lippen einer Bulldogge erschreckend ähnlich sah.
Lily hoffte, dass man ihr ihre Verwunderung nicht ansah.
„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte Crystal mit einer Stimme, die in ihrer Barschheit zwar zu ihrem Gesicht, nicht aber zu ihrem Namen passte. Sie wirkte kein bisschen erfreut und bedachte Lily lediglich mit einem flüchtigen Blick, bevor sie Rule wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte. „Nettie bat mich, dir zu sagen, dass sie mit Croft Fortschritte mache, aber Karonski muss von einem Zirkel behandelt werden. Hat irgendetwas mit Vertrauen zu tun, aber das habe ich nicht genau verstanden.“
Rule nickte. „Ich nehme an, wir hören schon bald von den Vorgesetzten der beiden. Hoffentlich können die einen Zirkel organisieren.“
„Was kann ich für dich tun?“, fragte Crystal ohne Umschweife und stellte ihre Tasche auf einem Stuhl ab.
„Das zeige ich dir gleich, Crystal. Aber zuerst muss ich euch noch etwas mitteilen. Lily ist meine Auserwählte.“
Die Miene der Bulldogge hellte sich unversehens auf. Sie schlang die Arme um Rules Taille und drückte ihn ganz fest. Walker war augenblicklich an Rules Seite und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Die beiden jungen Männer grinsten über das ganze Gesicht. „Du Teufelskerl!“, rief Sammy. „Wann ist die Zeremonie?“
„Nicht so bald“, entgegnete Rule trocken. „Wir haben erst noch ein paar Dinge zu erledigen.“
„Ach, mein Lieber“, murmelte Crystal gerührt. „Ach, mein Süßer.“ Sie schniefte und drehte sich freudestrahlend zu Lily um. „Willkommen bei den Nokolai!“
Willkommen bei …? Lily sah Rule entgeistert an.
Er schüttelte kaum merklich den Kopf und formte ein lautloses „Später“ mit den Lippen. Dann erhob er die Stimme: „Ihr wisst alle von dem Angriff auf den Rho. Und vielleicht habt ihr auch schon mitbekommen, dass Nettie zwei FBI -Agenten behandelt, denen jemand den Verstand vernebelt hat. Diese Dinge stehen in Zusammenhang miteinander. Es gibt eine Gruppe von Leuten – es handelt sich um Menschen und Lupi – die versuchen, den Clan der Nokolai zu vernichten.“ Nun lächelte niemand mehr. „Lily steht ganz oben auf deren Liste. Und sie ist gleichzeitig unsere einzige Hoffnung, wenn es darum geht, unseren Feinden Einhalt zu gebieten.“
„Sie würden sich an einer Auserwählten vergreifen?“, fragte Sammy ungläubig.
„Die beteiligten Lupi wissen vielleicht nicht, dass sie eine Auserwählte ist. Und die Menschen in dieser Gruppe würden das Wissen gegen uns verwenden.“
„Und was tun wir jetzt?“, fragte Walker leise.
„Ich habe eine Kartenskizze, die du dir genauer ansehen musst. Sammy und Pat, ihr begleitet Lily. Crystal wird mit mir die
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