Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
Gedanken gemacht, und sie hatten ihr gar nicht gefallen. Sie hatte gehofft, dass nach ein paar Stunden Schlaf ihr Kopf frei genug sein würde, um mit einer anderen Erklärung aufwarten zu können – einer, die keine Verschwörungstheorien beinhaltete. Aber noch immer dachte sie genau so wie in der Nacht zuvor.
Lily nippte an dem Kaffee und begann, ihre Gedanken auf einem Blatt Papier zu ordnen.
Reihenfolge , schrieb sie. Darunter zählte sie auf, was am Abend und in der Nacht geschehen war. Neben die Punkte, von denen sie nur aus zweiter Hand wusste, malte sie Sternchen.
Cullen zufolge hatte Benedict die anderen Lupi gerochen. Als er wusste, dass die Hilfe fast da war, hatte er alles dafür getan, dass die Gang in einem Zustand maximaler Verwirrung war, als die Wölfe heulend auftauchen. Er hatte Lily aus der Schusslinie gebracht und sich gleichzeitig um den Typen gekümmert, der Beth festgehalten hatte.
Sein Messer hatte ins Schwarze getroffen. Der Schläger war mit ein paar Zentimetern Stahl in der Gurgel gestorben – zu schnell, um Beth noch etwas antun zu können. Dann hatte Benedict das Feuer auf den Rest der Bande eröffnet.
Es waren zwanzig. Zwanzig junge Männer, die ihre Waffen auf ihn gerichtet hatten, bereit zum Schießen. Fünf hatte er getötet und fünf verwundet, bevor sie zurückschießen konnten und er in dem Moment zusammenbrach, als das Rudel erschien.
Das hatte die restlichen Gangmitglieder in die Flucht geschlagen. Die meisten derer, die nicht geflüchtet waren, waren tot – aber nur einer war von den Wölfen getötet worden. Vollkommen wahnsinnig hatte Harlowe versucht, Lilys habhaft zu werden. Dabei hatte er den Stab so willkürlich eingesetzt, dass er unter seinen Leuten ebenso viel Schaden angerichtet hatte wie unter den Lupi.
Der Stab , schrieb Lily.
Eins. Harlowe hatte ihn in der Hand gehabt, als Cullen ihn mit schwarzem Feuer getroffen hatte. Das hatte ihn umgebracht … aber seine Leiche war nicht verschwunden.
Zwei. Der Stab hatte Lily berührt. Er hatte sie verbrannt, aber auch sie war nicht verschwunden.
Drei. Rule hatte er nicht einmal berührt. Aber Rule war fort.
Warum? Und warum war sie die Einzige, die davon überzeugt war, dass sein Tod überhaupt nichts erklärte?
Grübelnd betrachtete sie ihre Liste der Ereignisse. Da fehlt noch etwas, sagte sie sich und fügte hinzu: Habe Streifenpolizist zu Rules Position geführt. Er war nicht dort.
Lily konnte es den örtlichen Cops nicht verübeln, dass sie sie für verrückt gehalten hatten. Sie hatte gewusst, wo Rule war, hatte seine Position genau gespürt – auf der Westseite des völlig heruntergekommenen Hauses, das das Hauptquartier der Gang gewesen war. Sie hatte einen von ihnen überredet, ihr zu helfen … und hatte nichts gefunden. Keine Spur von Rule.
Alternativen, schrieb sie. Und darunter: 1) Das Band der Gefährten funktioniert nicht richtig. 2) Das Band der Gefährten funktioniert, aber die Realität passt nicht dazu. Sie schnitt eine Grimasse. Das eine wie das andere würde schwer zu beweisen sein. Dann zwang sie sich, die dritte Möglichkeit aufzuschreiben: 3) Rule ist tot, und ich habe Wahnvorstellungen.
Aber verflixt noch mal, sie spürte ihn doch wirklich! Nicht in der Nähe. Jetzt war er mindestens sechzehn Kilometer entfernt, vielleicht auch mehr. Aber ihr Orientierungssinn war so ausgeprägt wie immer. Wenn sie sich das nur einbildete, dann war das Band der Gefährten von Anfang an nur Einbildung gewesen.
Sie strich den letzten Punkt.
Was konnte sie also daraus schließen?
Niemand hatte tatsächlich gesehen, wie er gestorben war. Niemand hatte gesehen, wie seine Leiche weggebracht worden war. Und trotzdem bestanden beide Gruppen – die Lupi und das FBI – darauf, dass er tot war und nicht vermisst wurde. Eine von beiden Gruppen musste einen guten Grund haben, Rule für tot erklären zu lassen, selbst wenn sie den Verdacht hatten, er könnte noch am Leben sein.
Und an diesem Punkt kam sie nicht weiter. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Cullen mit dem FBI gemeinsame Sache machen würde … was bedeutete, dass es entweder doch zwei Gruppen mit unterschiedlichen Motiven gab, oder sie litt in der Tat unter Wahnvorstellungen. In diesem Fall wäre es besser, sie würde lieber nicht auf das vertrauen, was sie glaubte, gesehen oder gehört zu haben, sondern brav alles akzeptieren, wenn sie nicht zu ihrem eigenen Wohl unter Verschluss gehalten werden wollte.
Scheiß drauf.
Rule lebte. Sie war
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