Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
„Gehören Sie zu den Präkognitiven? Sie scheinen uns erwartet zu haben.“
„Ich wusste nicht, dass auch Sie kommen würden.“ Sie schüttelte den Kopf. „Oh Dame, steh mir bei, nein, wirklich, Sie habe ich ganz sicher nicht erwartet. Ich habe natürlich mit Isen über die Ereignisse der letzten Nacht gesprochen, und die Dame sagte, Lily würde kommen. Und auch, dass Cullen sie herbringen würde, habe ich mir gedacht.“
„Sie sprechen mit Ihrer Göttin?“, fragte Cynna.
„Ich spreche mit ihr, hadere mit ihr … und manchmal höre ich sie sogar. Aber die Dame ist lediglich die Dame. Mit den Angelegenheiten der Göttinnen hat sie nichts mehr zu tun.“ Mit dem Teekessel in der Hand drehte sie sich um und kam langsam und unbeholfen auf den Tisch zu.
Lily hatte keine Lust, über Göttinnen zu reden, schon gar nicht, wenn sie nichts mehr von ihrer alten Macht hatten. „Sie haben sich hier einen wunderschönen Garten geschaffen.“ Obwohl sie sich immer noch fragte, wie das möglich war. Woher wusste die Frau, welche Wurzeln sie ausreißen musste, wie konnte sie die verschiedenen Pflanzen auseinanderhalten? Und wie erfreute sie sich an ihrem Garten, wenn sie ihn nicht sehen konnte?
Die weißen Augenbrauen hoben sich. „Sie haben gesehen, dass er nicht von alleine so gewachsen ist, nicht wahr? Nicht viele würden das erkennen.“
„Ich bin selbst Gärtnerin. Und ich interessiere mich für die heimische Pflanzenwelt.“
„Rule hat bereits erwähnt, dass Sie gern im Garten arbeiten.“ Geduldig tastete sie mit einer Hand vor sich über den Tisch, fand eine Tasse und goss heißes Wasser über die Kräuter, deren stechender Geruch ihnen in die Nase stieg. Rosmarin, dachte Lily. Unter anderem.
„Die Kekse sind nur aus dem Kühlregal. Aber sie schmecken nicht schlecht. Bitte, bedienen Sie sich. Den Tee werden Sie wahrscheinlich nicht mögen, aber trinken Sie ihn trotzdem. Er wird Ihnen guttun.“ Sie tastete nach einer weiteren Tasse und goss Wasser hinein.
Sie orientierte sich mit dem Tastsinn, um Objekte zu finden, bemerkte Lily. Und Menschen fand sie mit … „Sie sind eine Empathin. Eine physische Empathin, nehme ich an, weil Sie nicht die Emotionen der Pflanzen empfangen, sondern ihre physische Beschaffenheit.“ Diese Gabe war nicht selten, aber gewöhnlich wurde sie als eine der schwächeren unter den Gaben gesehen. Die alte Frau verfügte offenbar über die dreifache Stärke – was möglicherweise auch der Grund war, warum sie abseits von den anderen lebte. „Sie sehen mich nicht, aber sie spüren meine Präsenz so deutlich, dass es fast auf dasselbe hinausläuft.“
„Nicht dasselbe“, sagte sie. „In mancher Hinsicht besser, in anderer wieder schlechter.“ Sie füllte nun auch die letzte Tasse mit Wasser. „Das muss jetzt ein paar Minuten ziehen.“ Sie bewegte sich schwerfällig zurück zum Herd, um den Teekessel abzustellen. „Möchten Sie mir sagen, was Sie von mir wollen?“
„Sie hatten darum gebeten, dass ich komme.“
„Das weiß ich. Ich bin vielleicht achtzig Jahre alt, aber mein Gedächtnis ist immer noch gut.“ Kichernd kam sie an den Tisch und zog einen Stuhl zurück. „Verdammt gut.“
Lily sah skeptisch aus. „Achtzig?“
„Die Frauen des Clans altern nicht so langsam wie die Männer, aber wir halten uns gut.“
„Aha …“ Lily warf Cynna einen schnellen Blick zu. „Und was jetzt? Reden wir über große, dunkle Geheimnisse?“
„Deswegen sind Sie hier. Ich erzähle Ihnen meine dunklen Geheimnisse und Sie mir Ihre. Und wenn Sie sich fragen, warum Cynna zuhören darf – das erkläre ich Ihnen später.“ Sie beugte sich über die dampfende Tasse, sog den Geruch ein und nickte zufrieden. „Eine gute Mischung. Wird grässlich schmecken, aber wirken. Trinken Sie nur.“
Cynna guckte zweifelnd. „Was ist denn da drin?“
„Rosmarin, Raute, Kamille und einige andere Kräuter. Alle selbst gesammelt, wie es sich gehört.“ Sie blickte Lily an. „Cynna und mir wird er auch guttun, aber ich habe ihn vor allem für Sie zubereitet. Er wird Sie für den Zauber öffnen, mit dem ich Ihrem Körper bei der Heilung helfen werde. Ich bin zwar keine Heilerin, aber das eine oder andere habe ich über die Jahre aufgeschnappt. Anschließend brauchen Sie Ruhe und Schlaf.“
Jetzt würden Zauber bei ihr wirken. Lily ballte die Hände in ihrem Schoß zu Fäusten.
Die alte Frau lehnte sich zu ihr und tätschelte beruhigend ihren Arm. „Ich werde Ihnen nicht sagen, dass es
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