Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
nicht aus der Reinigung zurück, also schlüpfte sie in die Jacke von Land’s End.
Ihre Miene wurde ausdruckslos. „Cullen.“
„Unkraut vergeht nicht. Da bin ich wieder.“ Er ließ sich auf einen Stuhl sinken, etwas weniger geschmeidig als sonst, woraus Rule schloss, dass er sehr erschöpft sein musste. „Hast du mich vermisst?“
Sie sah ihn missbilligend an. „Ich habe mir Sorgen gemacht.“
„Dass ich mit deinen Geheimnissen abhaue und mich auf die Suche nach du weißt schon was mache?“
Sie rollte mit den Augen. „Ich muss los“, sagte sie zu Rule und ging zu ihm, um ihm einen flüchtigen Kuss zu geben … der dann doch nicht so flüchtig war. Er gab ihr den Schirm, den sie immer wieder mitzunehmen vergaß. Es nieselte nun schon den dritten Tag, aber Lily hatte sich immer noch nicht an die Vorstellung gewöhnt, dass es ununterbrochen regnen konnte. Nachdenklich betrachtete sie den Schirm, tätschelte Rule den Arm und eilte ohne einen Blick zurück aus der Tür.
Das war normal. Beide versuchten, sich so normal wie möglich zu verhalten. Rule wusste, dass sie Angst um ihn hatte – er roch es an ihr –, aber beide taten so, als wenn nichts wäre. Das half ihnen.
Cullen musterte ihn von oben bis unten. „Es ist stärker. Nicht viel, aber doch … stärker.“
Rule versuchte, gleichmütig zu wirken. „Das sagt Lily auch. Willst du Eier oder Fleisch?“
„Fleisch.“ Cullen stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in die Hände. Er rieb sich das Gesicht. „Wo ist Cynna?“
„In Albuquerque.“ Es war noch gebratenes Hühnchen von gestern Abend übrig, und er nahm es aus dem Kühlschrank. „Sie ist gestern Abend gefahren.“
„Albuquerque?“ Cullen richtete sich auf. „Was, zum Teufel, macht sie in Albuquerque?“
„Hast du gedacht, du könntest sie einfach hierlassen und dann gehen, und wenn du zurückkommst, würdest du sie da wiederfinden, wo du sie gelassen hast?“ Rule goss Milch in ein Glas. „Du solltest Frauen besser kennen. Hier.“
„Ich habe nicht gedacht …“, begann Cullen empört, aber brach dann ab und grinste. „Okay. Ich habe nicht nachgedacht. Und ich könnte mir in den Hintern beißen, ja? Aber mal ehrlich, warum Albuquerque?“
„Sie befragt einen von Jiris früheren Schülern. So wie Lily, aber der von Lily wohnt hier in der Nähe, in Baltimore.“
„Ah.“ Cullen verlor das Interesse.
Mit Rubens Hilfe war es Lily gelungen, Einsicht in die Akten zu erhalten, die der Secret Service über die Mitglieder aus Jiris nächstem Umfeld hatte. Einer war im Gefängnis, drei waren untergetaucht, so tief, dass der Secret Service sie nicht aufspüren konnte, zwei waren tot. Von den restlichen vier hatte Lily mit zweien gesprochen und Cynna losgeschickt, damit sie den dritten übernahm. Den letzten sollte sie heute befragen.
Glücklicherweise war das Band der Gefährten in einer seiner elastischeren Phasen, und Baltimore war nicht einmal fünfundsechzig Kilometer entfernt. Selbst wenn ihr Ziel am anderen Ende der Stadt liegen sollte, wäre das kein Problem.
Cullen rieb sich wieder das Gesicht, wahrscheinlich um lange genug wach zu bleiben, damit er etwas essen konnte. Rule schnitt ihm einen Schenkel von dem Huhn ab, legte ihn auf einen Teller und stellte diesen, zusammen mit einem Plastikbecher mit Kartoffelsalat vor seinen Freund hin. Dann legte er eine Gabel dazu. „Iss“, sagte er und setzte sich ihm gegenüber.
Cullen brauchte keine Aufforderung und schlug die Zähne in das Huhn, als wäre es Tage her, dass er das letzte Mal etwas gegessen hätte. Was nicht sehr wahrscheinlich war. Vielleicht hatte er weniger Schlaf bekommen, als er brauchte, aber er sorgte immer dafür, dass er bei Kräften blieb. Das war eine der wenigen guten Angewohnheiten, die er angenommen hatte, als er clanlos gewesen war. Hunger konnte ein einsamer Wolf sich nicht leisten.
Als von dem Huhn nur noch Knochen übrig waren, machte er sich über den Kartoffelsalat her. „Ich bin nicht gegangen, weil ich beleidigt war. Wenigstens nicht nur.“
„Das weiß ich. Aber Lily kennt dich nur in deiner stabileren Phase“, sagte Rule ruhig. „Sie hat andere Erwartungen.“
Cullen hob den Blick, die Augen dunkel vor Wut, dann lachte er laut auf. „Frauen und Erwartungen. Das eine geht nicht ohne das andere, was?“ Er seufzte, schob den leeren Plastikbecher weg und griff nach dem Glas Milch. „Ich stehe ein bisschen unter Druck, das hast du vielleicht schon gemerkt. Vielleicht
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