Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
da schon nachhelfen.“
„Hoffen wir es. Hier.“ Lily warf Cynna einen Schlüsselring zu. „Sei vorsichtig.“
Cynna fing die Schlüssel mit einer Hand. Dann salutierte sie frech und ging.
Rule sah ihr hinterher und wandte sich dann zu Lily hin. Er sah tiefe Ringe unter ihren Augen, aber die Dunkelheit, die er in ihrem Inneren sah, machte ihm mehr Sorgen. Ihr Gesicht war unbewegt, aber sie roch nach Kummer.
Was stimmte nicht? Er tat das Einzige, was ihm einfiel, um ihr zu helfen. „Du willst etwas fragen.“
11
„Die können warten. Ich muss dir unbedingt von dem Meeting erzählen.“ Lilys Brust fühlte sich an, als müsse sie bersten, als würde sich hinter ihren Rippen ein Sturm zusammenbrauen, ein Wolkenbruch aus Worten, der jeden Augenblick niedergehen konnte. Doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Fragen sollte.
Irgendetwas über den Wolf …
Rules Augen waren dunkel und ernst. Und obwohl er Mensch blieb, obwohl sein Gesicht, seine Gestalt und seine Stimme ruhig waren, war etwas Wildes in ihm. Fast meinte sie einen flüchtigen Blick auf den Wolf zu erhaschen, der sich hinter Knochen und Sehnen versteckte, so wie ein Wolf in der Wildnis aus dem Gebüsch hervorlugte.
Sah sie ihn anders, weil er zugegeben hatte, dass sein Wolf nah war? Oder hatte sich etwas in ihr verändert?
Seine Worte waren ganz nüchtern. „Cynna nimmt deinen Wagen?“
„Ihrer hat eine Panne, und sie muss so schnell wie möglich nach Nutley.“ Obwohl das im Moment weniger dringend schien als das, was sich in ihrer Brust zusammenbraute, wusste sie nicht, was sie sonst sagen sollte. Hilf mir? Ich habe nicht das gesagt, was ich sagen wollte, und jetzt schwellen die Worte in meinem Inneren an.
„Sag es mir.“ Er war sehr sanft, als wüsste er von dem drohenden Ausbruch und als wäre ihm so ein Ausbruch lieber als Fakten.
Aber sie hatte nur Fakten. „Die Energiewelle gestern Nacht war kein lokales Phänomen. Das Gleiche ist überall auf der Welt passiert, und es hatte alle möglichen Probleme und merkwürdigen Erscheinungen zur Folge. Wie ich eben schon sagte, ist die Einheit unterbesetzt. In Missouri sind Gnomen aufgetaucht, in Tennessee Heinzelmännchen und in Vermont vielleicht ein Golem. In Texas wird ein Schulbus vermisst. Und natürlich gibt es noch ein paar Dämonen zu jagen.“
„Deswegen fährt Cynna nach Nutley mit jemandem, den sie nicht kennt. Es gibt keinen aus der Einheit, der mitfahren könnte.“
„Ja. Ruben hat eine Task Force zusammengestellt, die eine Erklärung suchen und die Folgen abschätzen soll. Er glaubt, dass es wieder passieren wird. Dass sich etwas Grundlegendes geändert hat.“
Er schaute sie lange an, die dunklen Striche seiner Brauen nachdenklich zusammengezogen. Endlich sagte er: „Hast du etwas gegessen?“
Da erzählte sie ihm, dass eine Katastrophe über ihre Welt hereinzubrechen drohte, und er wollte wissen, ob sie zu Mittag gegessen hatte? „Ich habe keinen Hunger.“
„Eine Heilung verbrennt sehr viele Kalorien. Ich muss etwas essen, auch wenn du nicht hungrig bist. Ich mache uns ein paar Sandwiches. Du kannst ja weiterreden.“ Er ging zum Kühlschrank und begann, die Zutaten herauszuholen. „Extra, extra, extra viel saure Gurken, stimmt’s?“
„Du machst mir ein Sandwich, ob ich will oder nicht, hab ich recht?“
Er lächelte sie über die Schulter hinweg an. „Natürlich.“
Als sie dieses Lächeln sah, wurde ihre Kehle auf einmal frei, und die Worte begannen zu fließen. „Ich habe die Gurken vermisst.“
Rule sah sie verwirrt war.
„Nicht … ich. Mein anderes Ich, das Ich, das bei dir war, als du ein Wolf warst. Ich … ich glaube, sie hat versucht, mir etwas zu sagen. Oder vielleicht …“ Etwas über den Wolf. „Sie muss dir etwas sagen.“
Rule kam zu ihr herüber und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Sie und du, ihr seid ein und dieselbe Person.“
„Irgendwie schon.“ Dieselbe Seele, andere Erinnerungen. „Ich kriege es nicht richtig zu fassen, aber es kommt mir vor, als wäre es wichtig. Wenn …“
Es klingelte an der Tür.
„Ich mache auf.“
„Lily …“
„Ich mache auf“, wiederholte sie. Und floh zur Eingangstür.
Jetzt war das Haus ihr vertraut. Sie wusste, wo was war, und fand sich auch im Dunkeln zurecht. Meistens war sie froh, dass sie hier war, statt in einem langweiligen und überfüllten Hotel. Und manchmal war ihr, als würde das Haus ihr die Luft abschnüren.
Die Zimmer waren einfach zu vollgestopft.
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