Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
Bett gelegen, ein langer schwarzer Mantel aus einer teuren Mischung aus Wolle, Seide und Kaschmir. Ein außerordentlich warmer und luxuriöser Mantel, an dessen Kragen eine billige rote Schleife steckte … und auf dem ein dicker roter Kater seine Haare verteilte.
Schnell hatte sie Dirty Harry heruntergehoben, sehr zu seinem Missfallen.
Harry war eine von Rules Extravaganzen. Da sie nicht gewusst hatten, wie lange sie in Washington bleiben würden, hatte Rule darauf bestanden, den Flug für den Kater zu bezahlen. Das Komische war, dass er und Harry sich nicht einmal besonders mochten, aber Rule betrachtete Harry als Lilys Familienangehörigen. Also war Harry mit ihnen zusammen in der ersten Klasse geflogen, auch wenn er die Ehre nicht sehr zu würdigen gewusst hatte. Natürlich war er in seiner Tragekiste gewesen und hatte Beruhigungsmittel bekommen – ebenso zu seinem wie zu ihrem Wohl.
„Ich hatte keine Zeit, ihn einzupacken“, hatte Rule gesagt, der hinter ihr ins Zimmer getreten war.
„Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass wir uns unsere Geschenke Heiligabend überreichen und nicht vorher.“ Sie wollte streng klingen, aber die Art, wie sie über den Stoff des Mantels strich, hatte den Eindruck möglicherweise wieder zunichtegemacht.
Seine Mundwinkel hatten gezuckt. „Ich konnte nicht mehr warten. Vergib mir. Mir macht es nichts aus, dich zittern zu sehen und zu hören, wie du dich über das Wetter beschwerst. Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt, und deine Lippen sind sehr hübsch, wenn sie blau anlaufen. Aber ich weiß, wie sehr du Verschwendung hasst, und da es so aussieht, als würden wir den großen Tag nun doch in Kalifornien verbringen …“
Sie verdrehte die Augen und brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. Dann hatte sie ihm die Karten für das heutige Konzert überreicht, ihr eigenes vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, sodass sie sich nicht mehr darüber beschweren konnte, dass er mit seinem Geschenk so vorgeprescht war.
Und eigentlich hatte sie sich auch gar nicht beschweren wollen. Der Mantel war wunderschön.
Dieser wunderschöne Mantel lag jetzt, zehn Minuten vor zehn, über ihren Schultern, als das „Halleluja“ seinem Höhepunkt entgegenstrebte. Sie warf einen Blick auf den Mann an ihrer Seite.
Er sah gut aus. Lily begann, sich daran zu gewöhnen. Sie selber hatte sich auch ganz nett zurechtgemacht, aber Rule in einem Smoking war ein echter Hingucker. Das lag nicht nur an einer einzelnen Sache, dachte sie. Seine Gesichtszüge waren wohlgeformt, aber nicht perfekt: Die Lippen ein wenig schmal, die Nase ein bisschen schief, genauso wie sein Lächeln. Die Wangenknochen waren scharf geschnitten, genauso wie die Augenbrauen, die so dunkel waren wie sein Haar.
Im Moment saß er vollkommen still da, den Kopf leicht schief gelegt, ganz auf die Musik konzentriert.
Gut. Sehr gut.
Die Magie, die dafür sorgte, dass Lupi so schnell heilten, war bei Rule besonders stark ausgeprägt. Er hatte sich schnell wieder erholt von der Operation, die nötig gewesen war, nachdem ein Dämon ihn in Stücke gerissen hatte. Aber etwas in ihm war nicht geheilt. Er schwieg zu häufig und zögerte oft, bis er lächelte.
Trauerte er? Vermisste er sie … die andere Lily? Die, die sowohl fort als auch hier war?
Die Sänger sangen davon, dass es keinen Verlust gebe. Dass der Tod, wie die Buddhisten behaupteten, nur eine Illusion sei. Lily wünschte, sie könnte sich entspannen und sich von der Melodie treiben lassen. Aber dies war nicht ihre Art von Musik.
Aber es war die von Rule.
Er hatte ihr gesagt, dass seine Art Musik liebt, aber genauso gut könnte man sagen, dass Texaner Football lieben oder Katzen Thunfisch. Sie wusste jetzt, dass die meisten Lupi zumindest ein Instrument spielten und dass alle gut singen konnten. Das absolute Gehör war eher die Regel als die Ausnahme.
Das war der Grund, warum sie nun hier war, warum sie die Karten gekauft hatte. Außerhalb des Bettes hatte sie Rule schon lange nicht mehr so bei der Sache gesehen …
… nicht seitdem wir zusammen an dem steinigen Strand gesessen und den Drachen gelauscht haben.
Sie blinzelte. Freude, Trauer und ein Hauch von Eifersucht flackerten auf und erloschen wieder, zusammen mit der Erinnerung. Nie gelang es ihr, es festzuhalten, dieses Flüstern ihres anderen Ichs. Wie der Flaum von Pusteblumen schwebten sie manchmal durch ihren Geist und quälten sie mit dem, was noch nicht ganz verloren war.
Fast glaubte sie, sie könnte
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