Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
Brieftasche und an ihre Waffe. Aber nicht an eine Mütze oder an Handschuhe. Wie dumm von ihr.
Sie wusste nicht, wo sie war. Das war mehr als peinlich, wenn man bedachte, welche Gabe sie hatte. Irgendwo im Südosten von D.C.; irgendwann war sie in die Green Line umgestiegen, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wo sie ausgestiegen war. Oder warum.
Wahrscheinlich wegen Anacostia, dachte Cynna und ließ den Blick schweifen. Was nur bewies, wie wenig sie ihrem Unterbewusstsein trauen konnte, aber ihrem Bewusstsein fiel zurzeit auch nicht viel ein, außer: Mach, dass du hier wegkommst.
Sie entschied sich für irgendeine Richtung und ging los.
Ihre derzeitige Unterkunft war nicht viel anders als die Hotelzimmer, in denen sie abgestiegen war, seit sie vor sieben Jahren begonnen hatte, in dem Spiel von Recht und Ordnung ständig die Seiten zu wechseln. Das Zimmer hatte ein anständiges Bett, Kabelfernsehen, heißes Wasser, und es wirkte vollkommen unpersönlich. Nachdem sie ihren Burger, den sie beim Zimmerservice bestellt hatte, zur Hälfte aufgegessen hatte, hatte sie es nicht mehr ausgehalten.
Dabei wusste sie gar nicht, was ihr eigentlich zu schaffen machte. Das unpersönliche Zimmer? Die zu persönlichen Träume, die sie quälten? Oder die Träume, die sie nicht mehr hatte … diese sturen Mistkerle , dachte sie böse. Obwohl sie sie schon lange nicht heimgesucht hatten, warfen die Träume immer noch ihre Schatten.
Was auch immer dieses Mal der Grund gewesen sein mochte, sie wusste, wie sie sich danach fühlte. Und doch hatte sie das Gefühl nie benennen können. Sie wusste nur, dass sie etwas tun musste, wenn es wieder zuschlug. Irgendetwas. Als sie noch jung und dumm gewesen war, hatte das bedeutet, Party zu machen. Heute versuchte sie, sich körperlich zu verausgaben.
Heute Abend war sie in die Metro gestiegen und hatte dann angefangen, zu laufen. Unglücklicherweise war sie viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihren Gedanken in ihrem Hamsterrad hinterherzujagen, als dass sie auf den Weg geachtet hätte. Als sie endlich aus ihrer dummen, selbst verschuldeten Trance aufgewacht war … Nun, das hier war nicht die schlimmste Straße, in der sie je gewesen war, aber beinah. Und sie kannte ein paar wirklich schlimme Ecken.
Ein Truck fuhr langsam an ihr vorbei, die Fenster heruntergelassen, die Musik auf volle Lautstärke, sodass sie den Bass durch die Sohlen ihrer Reeboks wummern spürte. Einer der Blödmänner auf dem Rücksitz steckte den Kopf aus dem Fenster und machte ihr ein Angebot, das sie nur zu gerne ablehnte. Was sie auch tat, indem sie eine Zeichensprache benutzte, die an jeder Highschool in Amerika verstanden worden wäre.
Nicht sehr professionell, aber sie war ja auch nicht aus beruflichen Gründen hier. Sie war hier, weil … nein, wirklich, ihr fiel kein einziger vernünftiger Grund ein.
Direkt vor ihr, über einer zerschrammten Tür, summte ein Neonschild, auf dem schlicht Bar stand. Die Tür ging auf, und Rap-Musik quoll heraus, dazu der Duft von Gras. Zwei junge Männer in Cargohosen kamen hinterher. Einer von ihnen geriet ins Stolpern und kicherte. Der andere sah sie an.
Oje.
„He du“, sagte er leise. „Was machs du’n hier? Is wohl nich deine Gegend.“
Es war keine freundliche Frage. Dafür war sein Blick zu leer.
Leute aus der Mittelschicht hatten viele Vorurteile über Gegenden wie diese. Sie dachten, jeder hier nähme Drogen und verdiente seinen Lebensunterhalt als Dealer, Zuhälter oder Nutte und sobald man den Fuß in dieses Viertel setzte, würde man überfallen oder vergewaltigt.
Wie die meisten Vorurteile waren auch diese falsch. Die Menschen, die hier lebten, wurden nicht jedes Mal überfallen, sobald sie die Straße hinuntergingen, und die meisten hassten Gewalt und Verbrechen noch viel mehr als jede Familienmutter, die sich die Kurzfassung auf CNN ansah. Aber eine Frau allein, nachts, die nicht aus dieser Gegend stammte …
Cynna blieb stehen und ließ die Schultern kreisen, um sie zu lockern. Sie ließ ein bisschen Energie in eines der Tattoos auf ihrem Unterarm fließen, aber sie ließ den Reißverschluss ihrer Jacke geschlossen, um nicht in Versuchung zu kommen, wegen einem von diesen Idioten ihre Waffe zu ziehen. Ruben würde ausrasten, wenn sie jemanden erschießen würde. „Verpiss dich.“ Hau ab, Jungchen.
„Hör ma die da an!“ Der andere richtete sich auf, immer noch grinsend. „Die weiße Tussi hat ’ne ganz schön große
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