Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
wie lange die Dissonanz …“
„Nein“, sagte Rule.
„Ich glaube nicht“, sagte Lily.
Ito runzelte die Stirn. „Ist das sinnvoll? Unsere Zeit ist …“
„Fagin!“, blaffte der Erzbischof. „Konzentrieren Sie sich! Sie können nicht mit Dissonanzen herumspielen, wenn das Schicksal der Welt auf dem Spiel steht.“
„Natürlich.“ Er sah verlegen aus.
Sherry sagte ganz ruhig: „Wir kennen uns schon seit Jahren, aber Sie haben mir nie gesagt, dass Sie berührungssensorisch sind.“
„Das weiß niemand“, sagte er einfach. „Lily versteht das, da bin ich sicher. Es ist eine zu große Versuchung, unsere Gabe einzusetzen. Ich glaube zwar nicht, dass Sie so etwas getan hätten“, sagte er freundlich zu Sherry. „Aber man gewöhnt sich daran, Stillschweigen zu bewahren. Könnte mir jemand aufhelfen?“
Das übernahm Rule. Der Geruch des alten Mannes ließ ihn an Salzcracker und Frischkäse denken, an eine Mischung aus süß und salzig. Kein Anflug von Angst.
„Nun.“ Fagin lächelte abwesend in die Runde. „Das ist dann wohl jetzt meine Coming-out-Party. Ich hätte Sie vorwarnen sollen, aber ich liebe Überraschungen, und ich wollte außerdem meine Theorie überprüfen. Ich habe nicht geahnt, wie spektakulär das Ergebnis ausfallen würde.“
Rule war nicht sehr glücklich darüber. „Statt Ihnen hätte Lily dort auf dem Boden liegen können.“
„Oh nein. Es gibt Belege, die sind zwar repräsentativ, aber trotzdem ausreichend, und die besagen, dass ihre Gabe stärker ist als meine, obwohl mir nicht klar war, wie viel stärker sie ist. Sie sind wirklich erstaunlich, meine Liebe.“
Lily sah nicht geschmeichelt aus. „Was ist also passiert?“
„Nun, unsere Gaben haben miteinander gekämpft, und Ihre Gabe hat gewonnen.“
„Soll das etwa eine Erklärung sein?“, fragte Sherry trocken.
„Kommen Sie, Sherry, Sie denken nicht nach. Sie wissen doch, was die sensorische Gabe so einzigartig macht, oder nicht? Sie kann nicht kontrolliert werden.“
„Telepathen können ihre Gabe auch nicht kontrollieren“, sagte Ito. „Sonst würden sie nicht so oft wahnsinnig werden.“
„Und was ist mit Fernando Baccardi, Ito?“ Fagins Augenbrauen zuckten. „Ja, ich sehe, Sie verstehen, was ich meine. Baccardi war ein Telepath, der im letzten Jahrhundert lebte“, erklärte er den anderen, „und dem es gelungen war, bis weit über vierzig stabil zu bleiben, weil er seine Gabe runterfahren konnte. Seine Fähigkeit bestätigt meine These, dass es, bevor der Codex Arcanum verloren ging, möglich war, psychische Blockaden oder Schilde zu errichten.“
„Eigentlich“, sagte Lily, „ist das immer noch möglich.“
„Tatsächlich?“ Seine Miene drückte Erstaunen aus, aber die Augen unter den buschigen Brauen blickten scharf. „Ich hoffe, Sie werden mir später mehr darüber erzählen. Vorerst würde ich lieber beim dringlichsten Thema bleiben. Wie schon gesagt, meine und Lilys Gabe kann nicht kontrolliert werden, weder bewusst noch unbewusst, weder durch uns selbst noch durch irgendjemand anderen. Faszinierend, nicht wahr? Darüber hinaus heißt es, dass Berührungssensoriker immun sind gegen Magie. Das stimmt offensichtlich nicht, also …“
Lily unterbrach ihn. „Moment mal. Was wollen Sie damit sagen?“
„Wir wissen es, wenn wir Magie berühren, nicht wahr? Wir wissen möglicherweise sogar, welche Art von Magie wir berühren. Sie wissen es, nehme ich an.“ Er registrierte zufrieden, dass sie nickte. „Mir selber gelingt es nicht immer. Trotzdem bedeutet es, dass zwischen dem, was wir berühren, und unserer eigenen Magie eine leichte Interaktion stattfindet, obwohl wir selber davon unberührt bleiben, wenn man so will. Ich habe zwei Erklärungsmodelle entwickelt. Erste Möglichkeit: Wir könnten eine Art durchlässige Schicht von Magie besitzen, die über einem dichten Inneren liegt. Die Interaktion würde dann auf dieser Schicht stattfinden. Zweite Möglichkeit: Wir nehmen ein ganz kleines bisschen Energie von dem auf, was wir berühren, wandeln es um und eignen es uns an.“
Lily runzelte die Stirn. „Wir verwandeln sie, wir wehren sie nicht ab?“
„Sie verstehen den Unterschied, oder? Ich gestehe, dass Ersteres mir lieber gewesen wäre, aber meine heutige Reaktion deutet eher auf Letzteres hin.“
Der Erzbischof schüttelte den Kopf. „Fagin, vergessen Sie nicht, dass nicht alle von uns mit dem Thema vertraut sind.“
„Natürlich. Tut mir leid. Wenn das Modell zuträfe,
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