Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
gut. Noch eine kurze Frage. Sie sagten, dass die Spuren am Tatort darauf hindeuteten, dass die Kinder im Bett getötet wurden. Wie weit liegen ihre Zimmer auseinander?«
Er runzelte argwöhnisch die Stirn, als hätte sie ihm eine Fangfrage gestellt. »Sie liegen direkt nebeneinander.«
»Und die Mutter, Becky Meacham. Wo wurde sie getötet?«
»Den Blutspuren nach zu urteilen, überall in dem verdammten Haus.«
Sie seufzte, nickte und ging zur Tür.
»Äh …«
Lily blieb mit der Hand auf dem Türgriff stehen. Deacon spielte mit seinem Stift. Ohne sie anzusehen, sagte er: »Ich möchte Sie etwas fragen, das mich eigentlich nichts angeht.«
Sie zog die Augenbrauen hoch und kämpfte mit sich, ob sie ihrer Neugier nachgeben oder auf ihren gesunden Menschenverstand hören sollte. Was auch immer er sie fragen wollte, würde sie vermutlich ärgern und ihre Zusammenarbeit mit diesem Mann nicht leichter machen.
Aber wie immer gewann die Neugier. »Worum geht’s?«
»Stört Sie nichts an Turner?«
»Lupi sind keine bestialischen Killer, wie immer wieder behauptet wird.«
»Das meine ich nicht. Ich habe ihn ja kennengelernt. Er hat sich im Griff, selbst wenn man ihn ein bisschen reizt.« Deacon legte den Stift nieder. »Ich meine die Art, wie er Frauen behandelt. Weers – ich meine, Lupi – glauben doch nicht an die Ehe.«
Zuerst wusste Lily nicht, was sie sagen sollte. Vielerlei Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Erklärungen, Rechtfertigungen … Gründe. Lupi hatten Gründe für ihre Art zu leben. Sie waren beinahe unfruchtbar, und ihr Überleben hatte sehr lange davon abgehangen, dass sie ihren Samen so breit wie möglich verteilten.
Selbstverständlich musste das ein Geheimnis bleiben. Und sie konnte ihm auch nicht erklären, dass Rule ihr treu war. Durch das Band der Gefährten, das sie zusammenhielt, war es undenkbar für ihn, ihr untreu zu sein, obwohl es ihr jederzeit möglich gewesen wäre. Sie würde es zwar nicht wollen, aber nach seiner Auffassung war ihr gestattet, neben ihm noch eine Affäre zu haben.
Lily wusste nicht, wie sehr er wirklich davon überzeugt war. Und sie war sich nicht sicher, ob sie es überhaupt wissen wollte. Aber Tatsache war, dass sie eine Treuegarantie hatte wie wohl kaum eine andere Frau … und nicht offen darüber sprechen konnte. »Nein«, sagte sie nach einer kurzen Pause. »Es stört mich nicht, Sheriff.«
Leise schloss sie die Tür hinter sich.
11
Edna war über eins achtzig groß, hatte Schultern wie ein Linebacker beim Football, Falten wie eine Sonnenanbeterin und einen Vorbau wie ein Schiffsbug. Ihr Haar war kurz, grau und glatt. Sie trug ein höchst unvorteilhaftes weißes Oxford-Hemd, das sie in ihre Khakihose mit Gürtel gesteckt hatte. Keine Waffe.
»Tatortfotos«, sagte Edna und knallte eine Mappe auf den Konferenztisch. »Der Rest ist hier.« Eine zweite, dickere Mappe landete auf der ersten. »Kaffee finden Sie im Pausenraum, im westlichen Teil des Gebäudes, neben den Toiletten. Weil wir ja alle so gerne unsere Pause neben dem Pisspott verbringen, was?«
Lily pflichtete ihr bei, dass die Planer öffentlicher Gebäude Idioten seien, und Edna trollte sich, um den Schlüssel für die Beweismittelkammer zu holen.
Wie beinahe jeder andere in der Einheit hatte Lily in den sieben Monaten, die seit der Wende vergangen waren, häufig den Einsatzort gewechselt. Mittlerweile hatte sie Übung in der Einrichtung eines provisorischen Büros. Sie rief einen örtlichen Laden für Büroausstattung an und setzte sich dann an die Akten. Zuerst würde sie die Berichte durchgehen, um sich ein Bild davon zu verschaffen, was in Meachams Haus vor vier Tagen geschehen war. Denn bisher hatte sie nur Deacons Version gehört.
Sie studierte die Fotos und hatte gerade die Hälfte der dicken Mappe geschafft, als ein gedämpfter Trommelwirbel aus ihrer Tasche erklang.
Cullen. Sie runzelte die Stirn und warf einen Blick auf ihre Uhr, während sie das Spielzeug, das Rule ihr zu ihrem Geburtstag im April geschenkt hatte, hervorzog – ein iPhone. »Es ist zwanzig vor sieben in Kalifornien. Was ist passiert?«
»Passiert?«, fragte Cullen. »Was soll denn passiert sein? Du hast mir eine SMS geschickt. Deshalb rufe ich dich an.« Dann sprach er lauter weiter, aber dumpf, als hätte er den Kopf abgewendet. »Woher soll ich das wissen? Ich bin nicht der Finder von uns beiden. Schon gut, schon gut, ich suche danach. Aber beweg deinen schönen, schwangeren Körper endlich raus aus
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