Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
schwieg.
Glücklicherweise war seine Hülle nicht zu sehr durch den Sturz beschädigt. Als es aus seiner Versunkenheit in den Schmerz erwachte und der Hülle befahl, aufzustehen, tat sie es ohne große Mühe. Ein paar Momente später bemerkte es aber etwas, das es beunruhigte. Etwas stimmte nicht mit der Hülle. Aber was?
Es ließ seine Hülle ihr Gesicht anfassen. Nass. Blut? Es erinnerte sich an Blut … nein, nicht Blut. Das Problem war nicht der Körper der Wärme. Die Wärme war traurig, schrecklich traurig. Das Nasse waren Tränen.
Es wollte nicht, dass seine Wärme traurig war. Es versuchte, den alten Mann zu trösten, aber als es ihm befahl, sich besser zu fühlen, geschah nichts. Darüber dachte es nach. Es fragte sich, warum eine Anweisung befolgt wurde und die andere nicht, während die Hülle, wie befohlen, in den Schubladen der Kommode nach Gewehrmunition suchte.
Dreißig Minuten nach der turbulenten Vernehmung ihres Zeugen machte Lily einen schnellen Anruf. Deacons Gefangener war wieder sicher in seiner Zelle, und alle vier – FBI-Agentin, Pflichtverteidigerin, Staatsanwältin und Sheriff – saßen sie nun wieder in Deacons Büro.
Kessenblaum war ihre panische Reaktion auf den Ausbruch ihres Klienten peinlich gewesen. Und offenbar stimmte sie Verlegenheit, wie so vieles andere auch, streitlustig.
»Sehen Sie?«, sagte Kessenblaum und zeigte mit dem Finger in Farquhars Richtung. »Sie müssen doch jetzt einsehen, dass er – Mr Meacham – nicht stabil ist? Nicht zurechnungsfähig. Sie können ihn hier nicht länger festhalten. Es ist –«
»Nun mach mal halblang«, sagte Farquhar müde. »Du tust Meacham keinen Gefallen, wenn du uns anmeckerst.«
»Wenigstens bin ich auf seiner Seite. Wenigstens bin ich an seinem Wohl interessiert. Dich interessiert nur, was die Medien schreiben, die Wahl, und was –«
Lily war am Ende ihrer Geduld. »Ms Kessenblaum, halten Sie den Mund.«
Nach einem kurzen Moment entsetzten Schweigens lächelte Kessenblaum höhnisch. »Sie sind genauso schlimm wie sie, wollen auf dem Rücken derer, die keine Macht, keine Stimme haben, Karriere machen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Mr Meacham nicht alleine ist. Ich werde nicht zulassen, dass er unter die Räder des Systems kommt.«
Oh Gott, das war es also. Das erklärte auch die unpassende Kleidung. Kessenblaum wäre gern ein Hippie, war aber eine Generation zu spät geboren worden. »Wollen Sie ein Sit-in veranstalten oder wollen Sie Ihrem Klienten helfen?«, fragte Lily.
Kessenblaum verdrehte die Augen. »Das ist mal wieder typisch Cop! Stecken mich einfach in eine bequeme Schublade, damit sie nicht ernst nehmen müssen, was ich sage!«
»Bisher habe ich nur große Worte von Ihnen gehört. Was haben Sie denn bisher getan außer meckern? Warum hat sich Meacham denn bisher noch niemand mit ganz viel Buchstabensuppe vor seinem Namen angeschaut, um Ihren Forderungen mehr Gewicht zu geben?«
»Dafür habe ich kein Geld! Das Budget eines Pflichtverteidigers ist ein Witz, wenn Sie wüssten –«
»Dann holen Sie sich einen pro bono «, fuhr Lily sie an. »Hören Sie auf zu jammern und hängen Sie sich ans Telefon. Aber nicht hier. Die Erwachsenen müssen jetzt nämlich arbeiten.«
Kessenblaums Gesicht wurde erst weiß, dann rot. »Sie können … so können Sie nicht mit mir umspringen.«
»Ich glaube aber, sie hat es gerade getan«, sagte Deacon. In seinen Augen blitzte so etwas wie Humor auf. »Kommen Sie, Crystal. Sie haben doch sicher Besseres zu tun, als Ihre Patentante zu piesacken, und ich habe weiß Gott keine Lust, den Aufpasser zu spielen. Außerdem«, fügte er hinzu, während er aufstand, um ihr, als Wink mit dem Zaunpfahl, die Tür aufzuhalten, »wollen Sie die FBI-Agentin ganz sicher nicht wütend machen. Die verspeist Sie nämlich zum Frühstück.«
Kessenblaum zögerte noch einen Moment, dann stapfte sie vor Wut schäumend aus dem Zimmer. Deacon schloss die Tür sanft hinter ihr.
Lily blickte Farquhar mit hochgezogener Augenbraue an. »Patentante?«
Farquhar hatte auf einmal Lachfältchen um die Augen. »Ich hoffe, das heißt, Sie sind geschockt, dass eine Frau in meinem Alter ein Patenkind in Crystals Alter hat.«
»Das bin ich. Sie ist … wie alt? Dreißig? Und Sie können nicht älter als vierzig sein.« Und sie hatte Kinder, die noch so klein waren, dass sie zur Schule gefahren werden mussten, erinnerte sich Lily.
Marcia Farquhar tätschelte Lilys Hand. »Gott segne Sie. Crystal ist
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