Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
das Zimmer schweifen ließ, kannte er – doch das war nichts, was er allein mit Rule gemeinsam hatte. Alle Lupi sahen sich als Erstes um, wenn sie einen Raum betraten. Darin waren sie wie Cops, auch wenn dieser Instinkt angeboren und nicht erworben war.
Toby baute sich vor Rule auf. »Lily sagte, du wolltest mich sprechen.«
Was er eigentlich wollte, war, den Jungen hochzuheben, herumzuwirbeln und ihn zum Lachen zu bringen. Toby hatte ein Lachen, das die Welt aus den Angeln heben konnte. Aber jetzt war nicht der geeignete Moment dazu. »Lily hat mich dazu gebracht, meine Entscheidung zu überdenken. Als dein Vater bin ich immer noch der Ansicht, dass es ein Fehler ist, dich mit den Reportern sprechen zu lassen. Doch wenn es tatsächlich ein Fehler ist, dann einer, den du überleben wirst und den du machen dürfen solltest, wenn du es willst.«
Tobys Miene hellte sich auf. »Dann … dann hast du es dir anders überlegt?«
»Dein Vater ja. Dein Lu Nuncio ist immer noch unentschlossen, weswegen ich mit dir unter vier Augen sprechen wollte.«
Rule sah in Tobys Blick, dass er verstand und auch ein wenig verletzt war, aber er quengelte nicht, stellte seine Gefühle nicht vor seine Pflicht. Auf einmal war er stolz auf seinen Sohn … und fragte sich, ob sein Vater ähnlich stolz gewesen war, als er in jungen Jahren diese harte Lektion gelernt hatte. Und zeigte es ihm, dass Isen in der Rückschau recht hatte und er heute unrecht?
Toby schluckte. »Bist du dir nicht sicher, dass ich uns gut vertreten werde?«
»Ich weiß es nicht. Dazu muss ich erst noch mehr wissen. Warum willst es unbedingt tun?«
»Das habe ich dir doch schon gesagt!«
»Du hast mir einen Grund genannt. Ich bezweifle nicht, dass du es für unser Volk tun willst, aber dennoch glaube ich, dass du auch einen persönlicheren Grund hast. Und den muss ich erfahren. Er könnte einen Einfluss darauf haben, wie du uns gegenüber den Menschen vertrittst.«
Toby sah zu Boden und scharrte mit den Füßen, als wenn er lieber woanders gewesen wäre. »Dann muss ich es dir wohl sagen. Also, das ist so … ich habe Freunde hier. Und dann sind da noch die Menschen, die ich einfach so kenne, wie Mr Peters, mein Mathelehrer und Coach Tom in der Sonntagsschule und … und wenn sie erfahren, dass ich ein Lupus bin … Ich dachte, wenn sie mich im Fernsehen sehen und feststellen, dass ich immer noch ich bin, dann halten sie mich nicht für einen Freak oder so.«
»Toby.« Es fiel ihm schwer, zu sprechen, weil seine Kehle brannte.
»Ich weiß«, sagte Toby ernst, hoffnungsvoll. »Ich weiß, dass ich nicht mehr hier wohnen werde, deswegen ist es vielleicht auch nicht wichtig. Aber ich komme ja manchmal noch zu Besuch, und außerdem ist es doch irgendwie cool, wenn man im Fernsehen ist. Vielleicht macht es wieder wett, dass ich … na ja, dass ich ein Lupus bin.«
Genau davor hatte er Toby schützen wollen – vor Verletzungen, weil er anders war. Vor Nichtachtung, Drohungen, Beleidigungen, Engstirnigkeit. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als all dies von seinem Sohn fernzuhalten. Auch wenn er wusste, dass es unmöglich war.
Rule ging vieles durch den Kopf, was er jetzt hätte sagen können – dass echte Freunde einen nicht fallen ließen, oder auch, dass man nicht beeinflussen könne, was andere über einen dachten. Aber welcher Junge hörte schon auf die Stimme der Vernunft? Daher zerzauste er nur Tobys Haar und sagte: »Vielleicht werden einige anders über dich denken. Vielleicht auch nicht. So oder so, dein Wunsch, akzeptiert zu werden, wird deinem Volk nicht schaden.«
Er streckte die Hand aus. Toby ergriff sie. Zusammen gingen sie zurück ins Wohnzimmer.
Tobys Großmutter sprach gerade mit Lily. Sie brach ab, und ihr Blick wanderte erst zu Rules Gesicht, dann zu Tobys. Rule bemerkte, dass sie ihre Lippen frisch nachgezogen hatte.
Sie schnitt eine Grimasse. »Dann haben Sie also nachgegeben. Ich kann nicht sagen, dass ich es gutheiße, aber wahrscheinlich sollte ich mich daran gewöhnen, dass ich nicht mehr das letzte Wort habe.«
»Wenn es um Toby geht, wird Ihr Wort immer Gewicht haben«, sagte Rule ruhig. »Immer. Ich habe ihm die Erlaubnis gegeben, aber wenn Sie rigoros dagegen sind –«
»Nein. Nein, das ist es nicht …« Sie seufzte. In ihrem Blick lag ein alter Schmerz. »Ich nehme an, im Moment stürmt einfach zu viel auf mich ein. Alicia sagt, sie habe den anderen Reportern keinen Tipp gegeben, sondern nur mit einem einzigen darüber
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