Wolf Shadow Bd. 8 - Tödlicher Zauber
Schlafzimmer teilte. »Wie kann ich mir sicher sein? Ich bin kein Medium.«
»Aber es sah aus wie ein Geist.« Rule setzte sich auf das Bett, um sich die Schuhe anzuziehen. Als er den Kopf senkte, fiel sein nerzbraunes Haar nach vorn und verbarg sein Gesicht. Der Termin für den selbst für seine Verhältnisse längst fälligen Haarschnitt hatte schon festgestanden, bevor er vom Unterausschuss aufgefordert worden war, »seine Fachexpertise vom letzten März näher zu erläutern« – woraufhin er ihn sofort wieder abgesagt hatte.
Aus Widerspruchsgeist, nicht aus Zeitmangel. Die Aufforderung kam von einem erzkonservativen Senator, der hoffte, Rule mit unangenehmen Fragen so in Bedrängnis bringen zu können, dass dieser sich zu Aussagen hinreißen ließ, die er dann für seine Zwecke verwenden konnte. Daher wollte Rule unbedingt den Eindruck vermeiden, er habe sich die Haare schneiden lassen, nur um irgendwelchen konservativen Vorstellungen über gepflegtes Aussehen zu genügen.
»Weiß und milchig. Es schwebte. Ja, es sah aus wie ein Geist.« Als sie sich an das Mitleid erinnerte, das sie empfunden hatte, schnürte es Lily die Kehle zu. Das Wesen hatte etwas von ihr gewollt. Etwas gebraucht.
Geister, sagte sie sich entschieden, sind keine Menschen. Das hatte ihr einmal jemand erklärt, der es wissen musste. Was immer dieses Stück Ektoplasma gewollt hatte, es war an die Falsche geraten. Sie konnte ihm nicht helfen.
Lily drehte sich um, um sich im Spiegel zu begutachten. Hinter sich konnte sie Rule sehen. Die alten Sportschuhe – keine Socken – , die er gerade zuband, passten zu den abgewetzten Jeans mit dem Loch im Knie. Und seltsamerweise ebenso zu dem hauchdünnen schwarzen Kaschmirpullover, der vermutlich so viel wie eine Rate für den Toyota, den Lily endlich abbe zahlt hatte, gekos tet hatte. »Ich weiß, Ruben sagte ›zwanglos‹, aber … «
»Meinst du, Jeans sind zu zwanglos?«
»Nein, dich meine ich nicht. Du siehst gut aus.« Rule sah auch in zerrissenen Jeans und einem Kaschmirpullover wie ein Filmstar aus. Lily nicht. Zum einen besaß sie keinen Kaschmirpulli. Zum anderen verglich sich keine Frau, die noch bei Verstand war und wollte, dass es so blieb, mit Rule Turner. Denn der sah selbst in Kaugummipapier gut aus.
Er stand auf und ließ die weißen Zähne auf eine Art blitzen, die ihr immer noch durch Mark und Bein ging. »Du kannst doch nicht in einem Blazer bei einem Barbecue auftauchen, Lily.«
»Das wäre zu steif.«
»Was bedeutet, dass du auf dein Schulterholster verzichten musst.«
»Das weiß ich.«
»Du trägst ein Knöchelholster, nicht wahr?«
»Natürlich.« Darin steckte eine kleine, kurzläufige Beretta, die ihr ursprünglich einmal Rules Vater geliehen hatte. Als Isen sie ihr dann hatte schenken wollen, hatte sie nicht protestiert. Reichweite und Zielgenauigkeit konnte man von einer kurzläufigen Waffe nicht erwarten, doch ihre Mannstoppwirkung war gut. Eine ausgezeichnete Notfallwaffe.
Die Glock, mit der sie vorhin trainiert hatte, war jetzt ihre Hauptwaffe. Der Griff lag gut in der Hand, was immer ein Kriterium war, wenn man kleine Hände hatte. Die Reichweite stimmte, ebenso wie die Zielgenauigkeit, und mit der richtigen Munition war sie sehr wirksam. Aber trotzdem war sie nicht zu vergleichen mit ihrer SIG . Die war zu Hause in Kalifornien, begraben unter mehreren Tonnen Erde und Fels. Sie vermisste sie.
Aber egal, die hätte sie ohnehin nicht zur Grillparty ihres Chefs mitgenommen. Mit gerunzelter Stirn musterte sie sich im Spiegel. Dies war das erste Mal, dass sie privat zu den Brooks eingeladen war, und sie wollte einen guten Eindruck machen.
Die Jeans waren ganz annehmbar. Der Pulli … irgendetwas stimmte daran nicht. Rot stand ihr, daran konnte es also nicht liegen. Das Material war dehnbar, saß aber nicht zu eng für eine Party bei ihrem Vorgesetzten. Und auch der Ausschnitt war nicht zu tief. Er zeigte gerade genug Haut, um zu signalisieren »Ich bin privat hier, nicht dienstlich«. Aber die Haut sah irgendwie nackt aus.
Sie trug das toltoi nicht. Das war es.
Das toltoi war ein Talisman, den der Clan ihr überreicht hatte, als sie Rules Auserwählte wurde – als Symbol dafür, dass ihre Dame sie für ihn ausgesucht hatte. Zuerst hatte Lily geglaubt, die Dame der Lupi sei eine Göttin, nur ein Mythos, nicht real. Doch die Dame war so real wie ein Sonnenaufgang. Oder ein Kinnhaken. Und die Lupi beteten sie nicht an, sie dienten ihr.
Letzte Woche war die
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