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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Fahnenjunker ausging. Ein Offizier, und unter allen Offizieren ganz besonders ein Rittmeister von Prackwitz, kann wohl seine Uniform ausziehen, er behält trotzdem an sich die alten Begriffe und Anschauungen. Von Studmann und von Prackwitz waren gute Freunde, trotzdem – die Freundschaft war unter dem Rangverhältnis Rittmeister – Oberleutnant entstanden, und so blieb sie auch. Wollte der Oberleutnant dem Rittmeister etwas Unangenehmes sagen, so mußte das unter vorsichtiger Wahrung all der Formen geschehen, die sich zwischen Vorgesetztem und Untergebenem gehören. Pagel aber war nicht einmal der Freund des Rittmeisters, er hatte etwas sehr Unangenehmes, ja etwas Beleidigendes gesagt, geradezu, ohne alle Vorbereitung und ohne jede Wahrung der Form. Also kochte der Rittmeister von Prackwitz.
    Es konnte etwas Schreckliches geschehen. Von Studmann legte dem Rittmeister die Hand fest auf die Schulter, er zwang ihn auf seinen Stuhl zurück. »Er ist sinnlos besoffen«,sagte er halblaut. Und scharf zu Pagel: »Entschuldigen Sie sich auf der Stelle!«
    Das jungenhafte Lächeln auf dem Gesicht Pagels verblich langsam. Als sei er sich nicht ganz klar, was eigentlich geschehen, sah er grübelnd den zornigen Rittmeister, dann den Geldpacken in seiner Hand an. Sein Gesicht wurde finster. Er legte den Packen wieder neben sich auf den Tisch, griff nach dem Glas und trank hastig.
    »Entschuldigen …«, sagte er dann plötzlich mürrisch. »Wer legt denn heute noch auf solche Faxen Wert …?!«
    »Ich habe, Herr Pagel«, rief der Rittmeister, noch immer sehr zornig, »meine alten Lebensformen beibehalten, mögen andere sie auch veraltet und schlecht finden. Ich lege viel Wert auf diese Faxen!«
    Oberleutnant von Studmann schlug vollkommen deutlich vor: »Laß ihn, Prackwitz. Er ist überreizt, er ist betrunken, und vielleicht hat er etwas Schlimmes vor.«
    »Er interessiert mich nicht!« rief der Rittmeister wütend. »Ich lasse ihn liebend gerne!«
    Pagel hatte den Oberleutnant schnell einmal angesehen, aber nicht geantwortet.
    Von Studmann beugte sich über den Tisch und sagte freundlich: »Wenn Sie mir das Geld anbieten würden, Pagel, ich würde es nehmen.«
    Der Rittmeister machte eine Gebärde fassungslosen Erstaunens, Pagel aber griff hastig nach dem Geldpaket und zog es näher an sich.
    »Ich nehme es Ihnen nicht fort«, sagte der Oberleutnant, ein wenig spöttisch.
    Pagel wurde rot, nun schämte er sich. »Was würden Sie denn mit dem Gelde tun?« fragte er mürrisch.
    »Es Ihnen aufbewahren – bis zu einer besseren Stunde.«
    »Das ist unnötig – ich brauche kein Geld mehr.«
    »Genau das, was ich annahm«, bestätigte der Oberleutnant ruhig. Und er fragte, betont gleichgültig: »Wieso habenSie eigentlich auch vor sechs Stunden Schiffbruch erlitten, Pagel?«
    Diesmal wurde Pagel völlig rot. Mit einer gradezu qualvollen Langsamkeit breitete sich die Röte, von den Backen ausgehend, über sein ganzes Gesicht aus. Sie kroch unter den hohen, faltig gewordenen Kragen des Waffenrocks, sie stieg bis unter den Haaransatz über der Stirn. Plötzlich sah man, wie blutjung dieser Mensch war, wie schrecklich er jetzt unter seiner jugendlichen Verlegenheit litt.
    Selbst der zornige Rittmeister sah mit andern Augen auf seinen Granaten-Pagel.
    Der aber, erbittert über die so sichtbare Verlegenheit, fragte trotzig: »Wer hat Ihnen gesagt, daß ich Schiffbruch erlitten habe, Herr von Studmann?!«
    Und Studmann: »Ich hatte Sie so verstanden, Pagel.«
    Und Pagel: »Dann haben Sie mich falsch verstanden – ich …« Aber er brach unwillig ab, zu sichtbar verriet ihn seine Röte.
    »Natürlich geht es Ihnen schlecht, Pagel«, sagte von Studmann sanft, »das sehen wir doch beide, Herr Rittmeister wie ich. Sie sind doch kein Gewohnheitstrinker. Sie trinken aus einem bestimmten Grunde. Weil Ihnen irgend etwas schiefgegangen ist, weil Sie – nun, Sie verstehen schon, Pagel!«
    Pagel drehte sein Weinglas in der Hand. Seine Haltung war entspannter, aber er antwortete nicht.
    »Warum wollen Sie sich nicht von uns helfen lassen, Pagel?« fragte der Oberleutnant wieder. »Ich habe mir heute nachmittag auch unbedenklich vom Rittmeister helfen lassen. Ich war auch recht unangenehm gefallen …«
    Er lächelte in der Erinnerung an seinen Fall heute nachmittag. Er hatte keine Erinnerung an ihn, aber Prackwitz hatte es ihm recht drastisch geschildert, wie er vor die Füße der Gäste gerollt war. Studmann war sich klar, daß sein »Fall«

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