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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Osten geirrt war, bis er schließlich bei Männern landete, die er noch Kameraden nennen konnte, nicht Genossen anreden mußte.
    Rührend und lächerlich zugleich war die Freude des Flaumwangigen, der noch nie zuvor Pulver gerochen hatte, gewesen, unter kampferprobten alten Leuten zu sein, die seine Sprache redeten, Uniform trugen, Befehle gaben und entgegennahmen – und sie dann auch wirklich ausführten. Nichts konnte seinen Eifer ermüden, nichts seine Begierde, in kürzester Zeit alles kennenzulernen: Maschinengewehr, Minenwerfer und den einen, einzigen Panzerzug.
    Bis es dann zum Angriff ging, bis zu den eigenen auch die fremden Maschinengewehre zu tacken anfingen, bis die ersten Granaten heulend über sie fortsausten, um weiter hinten zu krepieren. Bis aus dem eifrigen Kinderspiel des Schuljungen Ernst wurde. Prackwitz wie Studmann hatten den jungen Pagel blaß werden sehen, plötzlich war er still geworden. Bei jeder hohl über ihn wegheulenden Granate hatte er den Kopf zwischen die Schultern gezogen und eine tiefe Verbeugung gemacht.
    Die beiden Offiziere hatten sich mit einem Blick verständigt– ohne ein Wort. Sie hatten auch dem Jungen nichts gesagt. Von ihm, der, grün im Gesicht, mit schweißnasser Stirn und feuchten Händen, gegen seine Angst ankämpfte, hatte sich eine Brücke geschlagen bis zu jenen unfaßbar fernen Augusttagen vierzehn, da sie selber zum ersten Male dies Heulen gehört, zum ersten Male den Kopf zwischen die Schultern gezogen hatten. Jeder machte das einmal durch, jeder mußte einmal den Kampf mit dem Schweinehund in sich kämpfen. Viele gab es, die nie ganz mit ihm fertig wurden. Aber die meisten blieben doch Sieger, und von da an tat es ihnen nichts mehr.
    Bei dem jungen Pagel war es zweifelhaft. Man hätte ihn jetzt ansprechen, anbrüllen können, er hätte nichts gehört. Er hörte nur das Heulen in der Luft, er sah hierhin, dorthin, wie ein im Traum Geängsteter, er zögerte beim Vorgehen. Nun sah er zurück.
    »Jawohl, Pagel, es ist sicher, die verdammten Roten schießen sich ein, die Einschläge liegen immer näher. Sicher, Junker Pagel, jetzt kriegen wir Dunst!«
    Und da ist sie schon in den Reihen, die erste Granate! Mechanisch werfen sich Studmann und Prackwitz hin – aber was ist mit Pagel? Der junge Pagel steht da, starrt, schaut auf den Erdtrichter, er bewegt die Lippen, als sagte er etwas Beschwörendes –
    »Hinwerfen, Pagel!« schreit von Prackwitz.
    Dann ist alles hochgewirbelte Erde, Staub, Feuer, Qualm – der Knall der Explosion zerreißt die Luft.
    Schafskopf! denkt von Prackwitz.
    Schade! denkt von Studmann.
    Aber – und es ist nicht zu glauben – da steht, Schatten in Nebel und Dunst, noch immer die Gestalt, bewegungslos. Klarer wird es, die Gestalt macht einen Satz, greift etwas von der Erde, schreit wütend: »Au verdammt!« – läßt es fallen, nimmt die Mütze zum Anfassen, stürzt zu Prackwitz, schlägt die Hacken zusammen: »Melde gehorsamst, Herr Rittmeister, ein Granatensprengstück!« Und völlig unmilitärisch: »Elend heiß!«
    Er hatte – für immer – den Schweinehund in sich untergekriegt, der junge Pagel.
    Für immer?
    Diese Szene, diese etwas alberne und doch heroische Tat eines blutjungen Menschen, stand den beiden deutlich vor Augen, als sie Pagel da, scheinbar ein wenig angetrunken, am Ecktisch bei Lutter und Wegner sitzen sahen, als sie riefen: »Aber das ist ja der Granaten-Pagel!«
    Der Granaten-Pagel sah hoch. Mit der vorsichtigen Gebärde des Angetrunkenen schob er erst Glas und Flasche etwas zurück, ehe er aufstand und ohne jede Überraschung sagte: »Die Herren Offiziere!«
    »Aber stehen Sie doch bequem, Pagel!« sagte der Rittmeister lächelnd. »Mit den Herren Offizieren ist es vorbei. Sie sehen, Sie sind der einzige von uns, der noch eine Uniform trägt.«
    »Zu Befehl, Herr Rittmeister«, sagte Pagel eigensinnig. »Aber ich tue keinen Dienst mehr.«
    Die beiden Freunde verständigten sich mit einem kurzen Blick.
    »Dürfen wir uns zu Ihnen an den Tisch setzen, Pagel?« fragte von Studmann freundlich. »Es ist ziemlich voll hier unten, und wir hätten gerne etwas gegessen.«
    »Bitte! Bitte!« sagte Pagel und setzte sich rasch, als sei ihm das Stehen schon längst schwer geworden. Auch die beiden setzten sich. Eine Zeit verging mit dem Auswählen der Speisen und des Weines und dem Bestellen.
    Dann hob der Rittmeister sein Glas: »Also auf Ihr Wohl, Pagel! Auf die alten Zeiten!«
    »Danke gehorsamst, Herr Rittmeister! Herr

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