Wolf unter Wölfen
Oberleutnant! Auf die alten Zeiten, jawohl.«
»Und was tun Sie jetzt?«
»Jetzt?« Pagel sah langsam von einem zum andern, als müsse er erst sehr genau über seine Antwort nachdenken. »Ja, ich weiß selber nicht genau … Irgendwas …«
Er machte eine vage Handbewegung.
»Aber Sie müssen doch irgend etwas getan haben in den vier Jahren seitdem!« sagte von Studmann freundlich. »Irgendwas angefangen, sich beschäftigt, ausgerichtet – wie?«
»Sicher, sicher!« stimmte Pagel höflich zu. Und fragte mit der klarsichtigen Bosheit des Angetrunkenen: »Wenn ich mir die Frage erlauben darf, Herr Oberleutnant – Sie haben viel ausgerichtet in diesen vier Jahren –?«
Von Studmann stutzte, wollte sich ärgern, dann lachte er. »Recht haben Sie, Pagel! Gar nichts habe ich ausgerichtet. Wie Sie mich hier sehen, habe ich vor sechs Stunden netto wieder einmal völlig Schiffbruch erlitten. Und ich wüßte wirklich nicht, was ich mit mir anfangen sollte, wenn der Rittmeister mich nicht auf sein Gut nähme – als eine Art Lehrling. Prackwitz hat nämlich ein großes Gut in der Neumark.«
»Vor sechs Stunden Schiffbruch«, wiederholte Pagel und überhörte völlig das Gut. »Komisch ist das.«
»Wieso ist das komisch, Pagel –?«
»Ich weiß nicht … Vielleicht, weil Sie jetzt hier Ente mit Weinkraut essen – vielleicht kommt es mir darum komisch vor.«
»Was das betrifft«, sagte von Studmann, jetzt seinerseits boshaft, »so sitzen Sie doch auch hier und trinken einen Steinwein. – Übrigens, in solchen Mengen genossen, viel zu schwer, Ente wäre Ihnen auch besser.«
»Natürlich«, stimmte Pagel bereitwillig zu. »Ich habe auch schon daran gedacht. Nur, Essen ist schrecklich langweilig, Trinken ist viel leichter. Und außerdem habe ich noch was vor.«
»Was Sie auch vorhaben mögen, Pagel«, meinte Studmann leichthin, »Essen wird Ihrem Vorhaben dienlicher sein als Trinken.«
»Kaum, kaum!« antwortete Pagel. Und, wie um dies zu beweisen, trank er sein Glas leer. Doch blieb diese Beweisführung ohne Eindruck auf die andern, ihre Gesichter waren skeptisch – so setzte er erläuternd hinzu: »Ich muß nämlich noch viel Geld ausgeben.«
»Mit Trinken werden Sie bestimmt nicht mehr viel Geld ausgeben können, Pagel!« fuhr von Prackwitz dazwischen. Ihn hatte die schlappe Haltung Studmanns, der diesen jungen Fant eher noch ermutigte, schon lange geärgert. »Mensch, merken Sie denn nicht, daß Sie randvoll sind?!«
Von Studmann winkte mit den Augen ab, doch blieb zu seiner Überraschung Pagel ganz ruhig. »Möglich«, sagte er. »Aber das macht nichts. Um so leichter werde ich mein Geld los.«
»Also Weibergeschichten!« rief von Prackwitz ärgerlich. »Ich bin gar kein Sittenprediger, Pagel, aber so besoffen, in diesem Zustande, nein, das ist doch nichts!«
Pagel antwortete nicht. Statt dessen hatte er sein Glas wieder gefüllt, leerte es bedächtig und füllte es neu. Prackwitz machte eine wütende Bewegung, aber von Studmann war gar nicht mit seinem Rittmeister einverstanden. Prackwitz war ein famoser Kerl, ein anständiger Kerl, aber ein Psychologe war er bestimmt nicht, beobachten konnte er andere Menschen überhaupt nicht – er meinte immer, alle müßten empfinden wie er. Und ging es dann nicht nach seinem Kopfe, kochte er sofort über.
Nein, eben als Pagel sein Glas gefüllt und rasch geleert und wieder gefüllt hatte, war Studmann sehr peinlich, aber darum nicht minder lebhaft an ein gewisses Zimmer mit der Nummer 37 erinnert worden. Auch da hatte man die Gläser so gefüllt und so geleert. Studmann erinnerte sich auch noch sehr genau an einen gewissen Augenausdruck aus Angst und irrer Frechheit, den er dort beobachtet. Er war sich gar nicht so sicher, daß Pagel, so unsinnig er trank, überhaupt betrunken war. Sicher war allerdings, daß ihm das Gefrage der Herren nicht angenehm war, am liebsten hätte er wohl für sich allein gesessen. Studmann aber hatte nicht die Absicht, sich von dieser gleichgültigen oder gar feindlichen Stimmung Pagels beeinflussen zu lassen, er spürte, sie hatten den ehemaligen Fahnenjunker in einer gefährlichen Lage getroffen. Wie damals mußte man ein Auge auf ihn haben. Und von Studmann,der am Nachmittag eine Niederlage erlitten hatte, schwor sich, in dieser Nacht auf keinen Bluff reinzufallen, sondern die Handgranate in Sektflaschenform rechtzeitig zu werfen – es gab für solche Würfe viele Möglichkeiten und Arten.
Pagel saß jetzt ruhig da und rauchte,
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