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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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nachdenklich scheinbar, ohne sich der Anwesenheit der beiden andern recht bewußt zu sein. Studmann verständigte Prackwitz halblaut von seiner Absicht; von Prackwitz machte nur eine ungeduldig abwehrende Bewegung, war schließlich aber doch einverstanden.
    Als die Zigarette zu Ende war, neigte Pagel wiederum die Flasche über das Glas, doch floß nichts mehr aus dem Hals, die Flasche war leer. Pagel sah hoch, er vermied den Blick der beiden andern, er winkte dem Kellner mit den Augen und bestellte bei ihm noch eine Flasche Steinwein und einen doppelten Kirschgeist.
    Ungeduldig wollte von Prackwitz etwas sagen, aber Studmann legte ihm beschwörend die Hand aufs Knie – und der Rittmeister schwieg, wenn auch unwillig.
    Als der Kellner das bestellte Getränk brachte, verlangte Pagel die Rechnung. Entweder schlug der Kellner im Hinblick auf den Zustand des Gastes gewaltig auf, oder Pagel hatte hier schon Stunden getrunken: die Rechnung war sehr hoch. Pagel zog ein Bündel Banknoten aus der Hosentasche, nahm ein paar, gab sie dem Kellner und verzichtete auf Herausgeben. Der ungewohnt devote Dank des Kellners verriet die Höhe des Trinkgeldes.
    Die beiden Herren verständigten sich wieder durch Blicke, durch einen ärgerlichen und durch einen zur Ruhe mahnenden. Doch sagten sie noch immer nichts, sondern sie beobachteten weiter Pagel, der jetzt aus allen Taschen und Täschchen Banknotenbündel zog und sie übereinanderpackte. Dann nahm er seine Papierserviette, wickelte sie um den Haufen, suchte wieder in der Tasche, brachte ein Ende Bindfaden zum Vorschein und verschnürte den Packen. Nun schob er ihn auf die Seite; wie nach getaner Arbeit sich zurücklehnend,brannte er eine Zigarette an, kippte den Kirschgeist und goß ein Glas Wein ein.
    Jetzt sah er auf. Sein Blick, aus so hellen Augen merkwürdig dunkel und starr, lag mit leichtem Spott auf den Herren. Studmann war im Augenblick, da er so angesehen wurde, klar, daß Pagel nur theaterte. Sowohl das Trinken wie die scheinbare Nichtbeachtung, wie das herausfordernde Bloßlegen und Einpacken des Geldes – alles Theater, für sie beide aufgeführt!
    Der Junge ist ja vollkommen verzweifelt, dachte er, merkwürdig angerührt. Vielleicht möchte er uns etwas erzählen oder um Hilfe bitten – nur bringt er es noch nicht über sich. – Wenn bloß nicht Prackwitz …
    Aber der weißhaarige, hitzige Prackwitz hatte schon nicht mehr an sich halten können. »Es ist eine Schweinerei, Pagel!« schrie er wütend, »wie Sie mit dem Gelde umgehen! So geht man nicht mit Geld um!«
    Studmann hatte den Eindruck, als freue sich Pagel über diesen Ausbruch, wenn er auch unverändert ruhig blieb.
    »Wenn ich mir die Frage erlauben darf, Herr Rittmeister«, sagte er mit schwerer Zunge, aber immer größerer Höflichkeit, »wie geht man denn mit Geld um?«
    »Wie?!« schrie der Rittmeister. Seine Stirnadern schwollen, und seine Augen wurden vor Zorn rötlich. »Wie man mit Geld umgeht?! Ordentlich geht man damit um!!! Herr Fahnenjunker Pagel!!! Ordentlich, gewissenhaft – wie es sich schickt, verstanden?! Man trägt es nicht lose in den Taschen, man tut es in eine Brieftasche –«
    »Es ist zuviel, Herr Rittmeister«, sagte Pagel entschuldigend. »Es geht in keine Brieftasche.«
    »Man schleppt überhaupt nicht soviel Geld mit sich rum, Herr!« schrie der Rittmeister im hellen Zorn. (Von den Nebentischen guckten sie schon.) »Das ist nicht anständig. So etwas tut man nicht!«
    »Nein?« fragte Pagel wie ein gehorsamer, wißbegieriger Schüler.
    Studmann biß sich auf die Lippen, um nicht laut loszulachen. Von Prackwitz aber war zu humorlos, um zu begreifen, daß sein Fahnenjunker sich einen kleinen Scherz mit ihm erlaubte.
    Pagel sagte entschuldigend: »Sobald ich meinen Wein ausgetrunken habe, will ich sehen, das Zeugs möglichst schnell loszuwerden.«
    Er trank. Nun glitt ein spitzbübisches, ganz jungenhaftes Lächeln über sein Gesicht. Studmann fand, er sah aus wie damals am ersten Tage in Kurland – kein Gedanke an eine Ähnlichkeit mit dem Reichsfreiherrn Baron von Bergen. Pagel griff nach dem Geldpacken, zögerte und hielt ihn dann mit raschem Entschluß dem Rittmeister über den Tisch hin. »Oder wollen Sie es haben, Herr Rittmeister?«
    Der Rittmeister Joachim von Prackwitz fuhr halb von seinem Stuhle auf, sein Gesicht lief dunkelrot an. Das war eine Beleidigung, eine überlegt zugefügte Beleidigung, und es machte sie noch zehnmal schlimmer, daß sie von einem ehemaligen

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